Schreibwettbewerb zur Rechtschreibreform

Am 1. Juli 1996 wurde die Rechtschreibreform durch die „Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ in Gang gesetzt, und schon am 2. Juli lag das Bertelsmann-Wörterbuch Die neue deutsche Rechtschreibung (Startauflage: 700.000) in den Buchhandlungen. Als dann der 21. Rechtschreib-Duden erschien und die „Neuregelung“ in zahllosen Fällen anders auslegte, wurde deutlich: „Die große Errungenschaft von 1901, die deutsche Einheitsorthographie, ist dahin.“ (Die Zeit, 27. September 1996)

Das gilt leider noch heute, 20 Jahre danach. Neben der seit 1901 bewährten klassischen Orthographie, die weiterhin von zahlreichen Autorinnen und Autoren mit guten Gründen bevorzugt wird, gibt es die „neue“ Schreibung, die weitgehend die „alte“ ist und beim Schreiben trotzdem verwirrt, auch wegen der zahllosen Varianten. Im neuesten Duden, dem 26., finden sich z. B. fertig stellen neben (wie bisher) fertigstellen, schwer behindert neben schwerbehindert, Dienst habend neben diensthabend, seit Langem neben seit langem, morgen Früh neben morgen früh, Spagetti neben Spaghetti, Kons-truktion und Konst-ruktion neben Kon-struktion, und – beides „neu“ – Missstand neben Miss-Stand usw.

Wegen dieser fortdauernden Schreibverwirrung haben Friedrich Denk und Matthias Dräger einen Arbeitskreis Lesen und Rechtschreiben heute gebildet und am 1. Juli einen mit 20.000 Euro dotierten Schreibwettbewerb zur Rechtschreibreform ausgeschrieben, an dem teilzunehmen Sie alle herzlich eingeladen sind! Bis zum 1. September können kurze Beiträge (mit bis zu 2.500 Zeichen, d. h. eine Buchseite) eingereicht werden. Die 25 besten Einsendungen werden Anfang Oktober publiziert, fünf davon werden am 20. Oktober 2016 auf der Buchmesse mit dem Frankfurter Orthographie-Preis ausgezeichnet: 1. Preis: 7000, 2. Preis: 4000, 3. Preis: 3 × 3000 Euro.

Alle Beiträge sollen als eine „Anthologie der Rechtschreibreform“ ein Appell an die Verantwortlichen sein, die Einheit der Orthographie möglichst bald wiederherzustellen.

Näheres unter www.rechtschreibreform.de.

Zum Hinschied von Jürg Amann

10. Mai 2013

Jürg Amann, in Winterthur geboren am 70. Geburtstag von Hermann Hesse, am 2. Juli 1947, verstorben nach schwerer Krankheit am 5. Mai 2013, dem Tag von St. Gotthard, in Zürich, war ein für seine Generation und für seine Zeit repräsentativer Schweizer Schriftsteller.

Während die 35. Solothurner Literaturtage dem Thema „Anfänge“ gewidmet waren, ging in Zürich auf offensichtlich wenig erhabene Weise das Leben eines Poeten zu Ende, dessen Vater nebst der Ausübung des Buchdruckergewerbes selbst schon gedichtet hatte: Jürg Amann. Dem Autor, einstigem Bachmann-Preisträger von Klagenfurt (1982 für „Rondo“), war es vor einigen Jahren beschieden, auch dank seiner bevorzugten Stellung im Alphabet, als erster eine Erklärung der Schweizer Schriftsteller gegen die Entstellung ihrer Texte bei Neuauflagen gemäss der ungeliebten Orthographiereform zu unterzeichnen. Im Zürcher Zunfthaus zur Waage stellte der Autor im Schosse der sprachbewussten „Schweizer Orthographischen Konferenz“ seinen Sinn für sprachliche Differenzierungen unter Beweis. Unter kollegialen Gesichtspunkten war die Begegnung mit ihm nicht minder berührend. Die Gesichtszüge des etwa Sechzigjährigen wirkten fein, beinahe jungenhaft. Sie waren noch nicht durch Anzeichen einer Krankheit entstellt. Die Bezeichnung „Poet“ war seinem Erscheinungsbild am angemessensten. Dabei hat er nur in bescheidenem Umfang Gedichte veröffentlicht, etwa „Über die Liebe wäre wieder zu sprechen“ (1994).

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«Innenleben» und Rechtschreibung

Unter der Leitung des Obmanns Dr. Erwin Leiggener fand im Restaurant La Poste die Jahresversammlung des Rottenbundes statt. Neben den Vereinstraktanden stand ein Vortrag des Philologen Stefan Stirnemann, St. Gallen, auf dem Programm.

Rottenbund-Vortrag. Referent Stefan Stirnemann (links) übergibt Rottenbund-Obmann Dr. Erwin Leiggener ein nach den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz gedrucktes Exemplar des renommierten «Schweizer Monats».

Rottenbund-Vortrag. Referent Stefan Stirnemann übergibt Rottenbund-Obmann Dr. Erwin Leiggener ein nach den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz gedrucktes Exemplar des renommierten «Schweizer Monats».

Das Vereinsjahr 2012 war durch die Aufnahme neuer Mitglieder und durch Vorträge gekennzeichnet. Es sprachen Hubert Theler, Lyriker und Dozent, und Dr. phil. Bernard Truffer, kantonaler wissenschaftlicher Berater des Historischen Lexikons der Schweiz (HLS). Beide bearbeiteten Themen, die für das Oberwallis wichtig sind: Theler die Verwendung unserer Mundart bei der Übersetzung des so bedeutenden Bibel-Textes und Dr. Truffer die Berücksichtigung des Wallis im wichtigsten Nachschlagewerk zur Geschichte und Biografie der Schweiz. Der traditionelle Kulturausflug des Rottenbundes musste abgesagt werden. Im Berichtsjahr erhielt der Rottenbund ein neues Logo. Es zeigt die 13 Bezirkssterne in Rot/Weiss in einem grossen Stern «Der Rottenbund» und «Für Sprache und Kultur». Unterstützt wurde der Schreibwettbewerb des Kollegiums Brig. Im neuen Vereinsjahr wird u. a. der Kulturausflug in neuer Organisationsform durchgeführt, und Obmann Leiggener erhofft sich markante Beteiligung. Ferner würdigte der Obmann die verschiedenen kulturellen Leistungen der Rottenbund-Mitglieder.

Rechtschreibreform und Staatsräson
Referent Stefan Stirnemann, profunder Kenner der Geschichte und des gegenwärtigen Standes der Rechtschreibreform, studierte Philologie in Basel mit einem Schwerpunkt auf der deutschen und lateinischen Schulgrammatik des 19. Jahrhunderts, war Mitarbeiter an einem grossen lateinischen Wörterbuch in München und arbeitet heute als Kantonsschullehrer. Neben vielfältiger publizistischer Tätigkeit ist er Mitglied der Arbeitsgruppe der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK). In letzterer Eigenschaft trat er vor dem Rottenbund auf und stellte in einem interaktiven Vortrag einer aufmerksamen und zunehmend betroffenen Hörerschaft die Vorgeschichte und Geschichte der Rechtschreibreform dar. Stirnemann zeigte, dass unüberlegte und schroffe Eingriffe z. B. in die Grossund Kleinschreibung und die Getrenntund Zusammenschreibung einen langwierigen Prozess in Gang brachten, der zu grosser Unsicherheit im Schulwesen und zu riesigen Ausgaben der Verlage führte. Immer neue Wörterbuch-Ausgaben widerriefen das, was ein Jahr vorher noch galt, bis im Jahr 2006 der Rat für Rechtschreibung kurzerhand althergebrachte und neudefinierte Schreibweisen als gültige Varianten erklärte. Heute soll also ein «wohlbekannter» Schriftsteller dasselbe sein wie ein «wohl bekannter» Schriftsteller. Gemäss Ministerin Johanna Wanka, die einst Präsidentin der deutschen Kultusministerkonferenz war, wissen die Kultusminister, dass diese Reform ein Fehler war, aus Staatsräson habe man sie nicht zurückgenommen. Heute ist Wanka Bundesministerin für Bildung und Forschung und somit Nachfolgerin der unglücklichen Annette Schavan, die ihr Amt aufgeben musste, weil ihr die Universität Düsseldorf wegen Betrugs den Doktortitel entzog. Seit wann, fragte Stirnemann, ist die Schweiz solchen Staatsvertretern und ihrer Staatsräson verpflichtet? Die Schweizer Orthographische Konferenz arbeitet seit mehreren Jahren daran, die zahllosen Fehler dieser Reform zu beheben. Es geht ihr dabei um Sprachrichtigkeit und Einheitlichkeit. Die «SOK-Empfehlungen» können über die Internetadresse www.sok.ch eingesehen werden. Sie finden auch in Deutschland zunehmend Beachtung, z. B. beim grossen ReclamVerlag. In der Schweiz folgen immer mehr Medien der SOK; als Beispiele brachte Stirnemann neue Hefte von «NZZ Folio» und «Schweizer Monat» nach Visp. Der ausserordentlich gut dokumentierte Vortrag Stefan Stirnemanns zeigte auf, dass die Lage besorgniserregend ist und nicht so bleiben kann. Ob es gelingen wird, bei Presse und Literatur und in der Schule Ordnung und Sprachrichtigkeit wiederherzustellen, wird sich zeigen. Zu wünschen wäre es!

Walliser Bote
Dienstag, 12. März 2013