1. Einleitung

Empfehlungen der SOK zur deutschen Rechtschreibung1

1996 wurden Rechtschreibregeln eingeführt, deren Folgen man nicht erprobt hatte. Nach zahlreichen vergeblichen Verbesserungsbemühungen wurde der Rat für deutsche Rechtschreibung eingesetzt. Er korrigierte manchen Fehler der Reform, führte aber in vielen Fällen die sprachrichtige Lösung nur als Variante wieder ein. Schliesslich brach er seine Arbeit unter politischem Druck auf halber Strecke ab. In dieser Lage bildete die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) zur Wiederherstellung einer einheitlichen und sprachrichtigen Rechtschreibung eine Arbeitsgruppe.2

In den zwei Bereichen, für die der Staat Regelungsgewalt beansprucht, Schule und Verwaltung, gilt zur Zeit die dritte Fassung des Regelwerks, die der Rat für deutsche Rechtschreibung 2006 veröffentlichte (im folgenden sind unter R06 („Regelung 06“) dieses Regelwerk sowie dessen Interpretation durch das amtliche Wörterverzeichnis sowie die Wörterverzeichnisse von Duden und Wahrig zu verstehen). Die SOK erarbeitete für Zeitungen und Buchverlage, die gemäss dieser Regelung schreiben wollen, Empfehlungen.

Die SOK orientiert sich an der Hausorthographie der NZZ. Die SOK setzt die Verbesserungen des Rates für deutsche Rechtschreibung konsequent um und führt in einigen Bereichen weitere Verbesserungen durch.

Die Konferenz der Chefredaktoren und der Verband Schweizer Medien empfehlen ihren Mitgliedern, die Vorschläge der SOK umzusetzen
(Empfehlung Chefredaktoren, Communiqué Verband Schweizer Medien).

 

A. Der Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche”

Die SOK empfiehlt, den Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ einzuhalten. Die Anwendung dieses Grundsatzes fördert eine einheitliche und sprachrichtige Rechtschreibung. Der Grundsatz wurde in der Schweiz schon vor dem Erscheinen dieser Empfehlungen von der SDA und der NZZ und wird in Deutschland auch von der FAZ, der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel angewendet. Den Grundsatz und die meisten der übrigen Empfehlungen der SOK wenden ausserdem das St. Galler Tagblatt, die Basler Zeitung, die Südostschweiz, der Beobachter, der Schweizer Monat, NZZ Folio, Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), in Deutschland der Reclam Verlag an. Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen in Deutschland und Österreich wenden ihn „ganz überwiegend“ als zweites Kriterium an (in erster Priorität verwenden sie die Varianten, die von Duden und Wahrig übereinstimmend empfohlen werden3).

Der Grundsatz bedeutet, dass bei Variantenschreibungen immer die herkömmliche Variante gewählt wird, wenn es sie in R06 gibt. Da Duden und Wahrig die herkömmlichen Varianten in ihren Rechtschreibwörterbüchern nicht mehr markieren, plant die SOK, eine Liste mit allen Variantenschreibungen vorzulegen.

Beispiele für empfohlene herkömmliche Varianten:

herkömmliche Variante (empfohlen) R06-Variante (nicht empfohlen)
8fach 8-fach
achtgeben Acht geben
alleinerziehend allein erziehend
allgemeinbildend allgemein bildend
aufs äusserste gespannt sein aufs Äusserste gespannt sein
aufwendig aufwändig
bekanntgeben bekannt geben
binnen kurzem binnen Kurzem
bis auf weiteres bis auf Weiteres
danke sagen Danke sagen
das 8fache das 8-Fache
du sagen Du sagen
ein deutsch-schweizerisches Abkommen (zwischen Deutschland und der Schweiz) ein deutschschweizerisches Abkommen
fertigstellen fertig stellen
grauenerregend Grauen erregend
hallo rufen Hallo rufen
haltmachen Halt machen
hierzulande hier zu Lande
hochachten hoch achten
imstande im Stande
in Frage stellen infrage stellen
kennenlernen kennen lernen
kleinschneiden klein schneiden
langgestreckt lang gestreckt
masshalten Mass halten
mit Hilfe mithilfe
morgen früh morgen Früh
nach Hause nachhause
nein sagen Nein sagen
nicht im mindesten nicht im Mindesten
ohne weiteres ohne Weiteres
recht haben/behalten/geben/tun Recht haben/behalten/geben/tun
Schenke Schänke
seit längerem seit Längerem
selbstgebacken selbst gebacken
von neuem von Neuem
von weitem von Weitem
vor langem vor Langem
Zeitlang Zeit lang4
zeitraubend Zeit raubend
zu Hause zuhause
zugrunde zu Grunde
zuleide zu Leide

Der Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ gilt auch bei der Kommasetzung:

Er schimpfte auf die Regierung[,] und sein Publikum applaudierte (Empfehlung: mit Komma)
Er fiel[,] von einer Kugel getroffen[,] vom Pferd (Empfehlung: mit Kommas)
Er empfahl[,] dem Lehrer nicht zu widersprechen (Empfehlung: mit Komma)
Ihn rechtzeitig zu warnen wäre deine Pflicht gewesen (Empfehlung: ohne Komma
bei einer Infinitivgruppe, die als Subjekt vorausgeht)

Bei längeren Subjektsätzen dieser Art empfiehlt die SOK jedoch, das Komma gemäss der Regel von Walter Heuer (1990, Zif. 1576) zu tolerieren:

Diese Annehmlichkeiten aber so angenehm wie möglich zu gestalten[,] liegt in der Hand der Konstrukteure

Weiter gilt der Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ auch bei der Silbentrennung. Ausser bei der st- und der ck-Trennung empfiehlt die SOK, die herkömmliche Silbentrennung (nach Wortbestandteilen) anzuwenden und Verbindungen von Konsonanten + l, n oder r nicht zu trennen:

her-auf, ein-ander, Päd-agogik, inter-essant, bi-blisch, Ma-gnet, Hy-drant

Als Ausnahme vom Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ verzichtet die SOK auf eine Empfehlung bei den Zusammensetzungen mit Alb-/Alp- (z. B. Alptraum/Albtraum) sowie bei der t/z-Schreibung in Fremdwörtern (potentiell/potenziell, Justitiar/Justiziar usw.). Für Alb- spricht die Etymologie, für Alp- die Aussprache (Auslautverhärtung). Die t/z-Schreibung in Fremdwörtern befindet sich offensichtlich im Umbruch.5

 

B. Fälle, in denen der Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ zu keiner eindeutigen Schreibung führt

Wenn in R06 Varianten bestehen, die keiner herkömmlichen Schreibung entsprechen oder die mit her­kömmlichen Varianten übereinstimmen, führt die Anwendung des Grundsatzes der SOK „Bei Varianten die herkömmliche“ zu keinem Entscheid für eine Schreibung. Fälle, bei denen R06-Varianten keiner her­kömmlichen Schreibung entsprechen, gibt es v. a. bei mehrgliedrigen englischen Fügungen (z. B. her­kömmlich: Aircondition, R06: Air‑Condition/Aircondition) sowie beim Zusammentreffen von drei gleichen Konsonanten (z. B. herkömmlich: Stilleben, R06: Stillleben/Still‑Leben). Fälle, bei denen R06- und herkömmliche Varianten übereinstimmen, gibt es v. a. in Fremdwörtern und geographischen Namen (z. B. herkömmlich und R06: Bordereau/Bordero, Nicaragua/Nikaragua), bei der e/ä-Schreibung (Blesshuhn/Blässhuhn) sowie bei Zusammensetzungen mit Personen-, Familiennamen oder geographischen Namen (Alzheimerkrankheit/Alzheimer-Krankheit [nach Duden 1990 R 135], Bregenzer Wald/Bregenzerwald). Für diese Fälle führt die SOK separate umfassende Wörterlisten.

Darüber hinaus gibt es einige Einzelbeispiele dieser Fälle (herkömmlich: auf seiten, R06: aufseiten/auf Seiten, herkömmlich und R06: anstelle/an Stelle),darunter schweizerische Besonderheiten (Chilbi, Müesli). In diesen Einzelfällen empfiehlt die SOK die folgenden Schreibungen: anstelle, aufgrund, aufseiten, begrabschen, Chansonnière, Chilbi, Darg, grabschen, Kräze, Moselaner, Müesli, numerisch, panschen, Schabziger, Schwyzerdütsch, so dass, vonseiten, Wümmet, Zaine, Ziger, zuseiten.

In drei Fällen von herkömmlich und in R06 übereinstimmenden Varianten, ciao!/tschau!, circa/zirka und Disc/Disk, verzichtet die SOK auf eine Empfehlung, da der Schreibgebrauch unentschieden ist.

Ein Sonderfall besteht darin, dass R06 herkömmliche Varianten auf eine einzige reduziert hat. Solche Fälle gibt es angesichts der in der herkömmlichen Rechtschreibung weit geringeren Zahl von Varianten nur wenige, darunter die Reduzierung der Varianten Photo/Foto (und Zusammenschreibungen Photo…/Foto…/photo…/foto…) auf die f-Schreibung, wo die Kurzform für Fotografie gemeint ist (Empfehlung SOK: Foto/foto, Foto…/foto…). Weitere Beispiele betreffen Fremdwörter, vor allem englische: Bluejeans/Blue jeans (R06 nur noch: Bluejeans, Empfehlung SOK: Blue Jeans), Blinddate/Blind Date (R06 nur noch: Blind Date, Empfehlung SOK: Blind Date), Cornflakes/Corn flakes (R06 nur noch: Cornflakes, Empfehlung SOK: Cornflakes), fantasieren/phantasieren (Musik, R06 nur noch: fantasieren, Empfehlung SOK: fantasieren), Stop/Stopp (R06 nur noch: Stopp, Empfehlung SOK: Stop) und Swimmingpool/Swimming-pool (R06 nur noch: Swimmingpool, Empfehlung SOK: Swimmingpool).

– mehrgliedrige englischsprachige Fügungen

Die SOK empfiehlt, bei der Schreibung von mehrgliedrigen englischen Fügungen, bei denen mehrere Varianten bestehen, grundsätzlich die vom Rechtschreib-Duden empfohlene zu verwenden (z. B. Callcenter, Cruise-Missile, Motocross, Shareholder-Value). Ausnahmen z. B.: Air-Condition[ing], Boat-People, Dinner-Jacket, Discount-Broker, Diskjockey/Discjockey (Duden empfiehlt Discjockey, SOK: keine Empfehlung), Fund-Raising, Junk-Food, Live-Act, Live-Show, Mountain-Bike (Duden nur: Mountainbike), Pole-Position, Riverboat-Shuffle, Sightseeing-Tour, Think-Tank, Tie-Break; Black Jack, Blue Chip, Cold Cream, Dark Room, Fairplay, Flat Rate, Free Climbing, Hard Disk/Hard Disc (Duden empfiehlt Harddisk, SOK: keine Empfehlung), Hard Rock, Odd Fellow, Prime Time, Real Time, Soft Copy, Soft Drink, Soft Rock; Crossover, Fall-out, Hand-out, Playback; Ready-made.

In einigen Fällen empfiehlt die SOK eine vom Rechtschreib- bzw. Fremdwörter-Duden bzw. von R06 abweichende Schreibung, z. B.: Audience-Flow, Body-Painting, Candlelight-Dinner, Country-Music, Drag Queen, Emmy-Award, Gender-Studies, Hedge-Fund, Love Parade, Mass-Action, Mass-Reaction, Micky Mouse, Online-…, Online-Broker, Page-Impression, Patchwork-…, Porterhouse-Steak, Soil Erosion, Tea-Room, Traveler’s Check, Window-Shopping; American way of life, Firstclass-…, Prepaid Card, Prepaid Handy, Quickstep, Short Track, Upper Class; Business as usual, Onestep, Twostep.

In zahlreichen, im Rechtschreib- oder Fremdwörter-Duden nicht oder nicht mehr aufgeführten Fällen empfiehlt die SOK bestimmte Schreibungen (siehe Wörterlisten), z. B. Cashdrain, Dotcom-…, Drag King, Image-Design, Inflight-Service, Key Account, Key Feature, Live-Stream, Minimum-Lending-Rate, Player Roll, Price-Earnings-Ratio, Return on Equity, Ryder-Cup, Stakeholder-Value, Starfighter, Street Parade, Wall-Street-…, West Bank (Westjordanien), Window-Dressing, Workload; Big Four, Fast Track, die Firstclass, French Open, Frequent Flyer, Grand Old Party (Republikanische Partei USA), Multiple Choice, Open End, Open Sky, Open-Sky-…, Underground-…, Unique Client, Unique Visitor, Working Poor; President-elect, Swiss made.

– Zusammentreffen dreier gleicher Buchstaben

Die SOK empfiehlt, beim Zusammentreffen von drei gleichen Konsonanten:

  • bei Zusammensetzungen mit zwei oder drei Wörtern keinen Bindestrich zu setzen: Zellstofffabrik
  • bei Zusammensetzungen mit vier oder mehr Wörtern:
    • einen Bindestrich zu setzen, wenn er an die Hauptfuge zu liegen kommt: Fussball-Länderspiel
    • keinen Bindestrich zu setzen, wenn er nicht an die Hauptfuge zu liegen käme: Dampfschifffahrtsgesellschaft (nicht: Dampfschiff-Fahrtsgesellschaft)

Beachte: ein Bindestrich ist nur möglich bei Substantiven, also nicht bei: helllodernd
(nicht: hell-lodernd), fetttriefend (nicht: fett-triefend).

Die SOK empfiehlt, beim Zusammentreffen von drei gleichen Vokalen:

  • bei Substantiven einen Bindestrich zu setzen: Kaffee-Ernte, Tee-Ei

Beachte: ein Bindestrich ist nur möglich bei Substantiven, also nicht bei: armeeeigen (nicht: armee-eigen), seeerfahren (nicht: see-erfahren).

 

C. Fälle, in denen die SOK empfiehlt, R06 nicht zu folgen

In einigen Fällen empfiehlt die SOK, R06 nicht zu folgen. Dies betrifft Fälle der Getrennt-/Zusammenschreibung, Fälle der Gross-/Kleinschreibung, ä-Schreibungen, falsche Herleitungen, Fremdwörter, den Bindestrich beim Zusammentreffen von Ziffern und Buchstaben, Ableitungen von Personennamen und geographische Ableitungen sowie die Einzelfälle rauh, Jäheit, Roheit, Zäheit und (beispielsweise) den Konjunktiv wenn ich schriee (Rilke).

 

1. Getrennt-/Zusammenschreibung

Die Reform hat zahlreiche zusammengesetzte Wörter der deutschen Sprache aufgetrennt, das heisst de facto abgeschafft.6 Dadurch hat sie nicht nur in den Wortschatz der Sprache eingegriffen, was niemals Aufgabe einer Rechtschreibreform sein kann, sondern auch einer langfristigen Tendenz der deutschen Rechtschreibung zuwidergehandelt, die in Richtung Zusammenschreibung eines zusammengesetzten Begriffs geht, wenn dieser bezüglich Aussprache und/oder Bedeutung als ein einziges Wort empfunden wird (sog. „Univerbierung“). Dieser Eingriff, „der Tendenz der Sprachgemeinschaft zur Zusammenschreibung entgegenzuwirken“7, erfolgte bewusst und entlarvt das Argument der Reformer, eine Recht­schreibreform sei von Zeit zu Zeit wegen der Veränderung der Sprache notwendig, als vorgeschoben. Mit R06 sind von den aufgehobenen Zusam­menschreibungen viele wieder gestattet, aber nur als Variante. In diesen Fällen empfiehlt die SOK ausnahmslos die herkömmliche Zusammenschreibung (siehe Liste oben).

Als Varianten gelten dabei für die SOK aber ausdrücklich nur unterschiedliche Schreibungen ohne Bedeutungsdifferenzierung nach dem Muster Delphin/Delfin, existentiell/existenziell, Albtraum/ Alptraum. Keine Varianten sind z. B.:

ein naheliegender Gedanke / ein nahe liegendes Gehöft (nicht: naheliegendes)
ein wohl (= wahrscheinlich) durchdachter Plan / ein wohldurchdachter (= gut durchdachter) Plan
ein viel versprechender Politiker / ein vielversprechender Politiker
ein Getränk kalt stellen (nicht: kaltstellen) / den Politiker kaltstellen
eine Handvoll Kirschen (eine kleine Menge) / eine Hand voll Kirschen (die Hand voller Kirschen)
ein frischgebackenes Ehepaar / frisch gebackene Brötchen (nicht: frischgebackene)

In R06 ist die Schreibung manchmal bei übertragener und wörtlicher Bedeutung vorgeschrieben (näherkommen = in engere Beziehung treten, näher kommen = in grössere Nähe kommen), manchmal nur bei übertragener (richtigstellen = berichtigen, aber: die Uhr richtig stellen / richtigstellen), manchmal nur bei wörtlicher (sitzen bleiben = auf dem Stuhl sitzen bleiben, aber: in der Schule sitzenbleiben / sitzen bleiben). In all diesen Fällen unterschiedlicher Schreibungen mit Bedeutungsdifferenzierung empfiehlt die SOK, den Bedeutungsunterschied durch die unterschiedliche Schreibung in der herkömmlichen Weise kenntlich zu machen. Als Faustregel bei der Getrennt-/Zusammenschreibung diene der Grundsatz: Mindestens in denjenigen Fällen, wo in der gesprochenen Sprache durch unterschiedliche Betonung ein Bedeutungsunterschied gemacht wird, muss er auch in der geschriebenen Sprache durch unterschiedliche Schreibung gemacht werden (z. B. bei wiedersehen / wieder sehen).

Einen Sonderfall stellen grossschreiben / gross schreiben und kleinschreiben / klein schreiben dar. R06 beachtet hier zwar noch einen Bedeutungsunterschied, aber die „neue idiomatisierte Gesamtbedeutung“ soll nun schon bei „mit grossem bzw. kleinem Anfangsbuchstaben schreiben“ entstanden sein, weshalb die Wörter in dieser Bedeutung zusammenzuschreiben seien (in der Bedeutung „sehr bzw. nicht wichtig nehmen“ wie herkömmlich ebenfalls, getrennt nur in der Bedeutung „in grosser bzw. kleiner Schrift schreiben“). Diese Unterscheidung leuchtet weit weniger ein als die herkömmliche, und die SOK empfiehlt deshalb Getrenntschreibung in der Bedeutung „mit grossem bzw. kleinem Anfangsbuchstaben schreiben“.

Die SOK empfiehlt ausserdem, bei alleinseligmachend R06 nicht zu folgen (also nicht: allein selig machend oder allein seligmachend).

 

2. Gross-/Kleinschreibung

Die zweite langfristige Tendenz der deutschen Rechtschreibung im 20. Jahrhundert zielte in Richtung Kleinschreibung überall dort, wo kein wirkliches Substantiv vorliegt, insbesondere bei Pronomen und Adverbien. Die Reform hat in zahlreichen Fällen die im frühen 20. Jahrhundert aufgegebene Gross­schreibung wieder eingeführt und damit dieser Tendenz zuwidergehandelt.8

– Adverbien und Pronomen

R06 bleibt in einigen Fällen beim kleinen Buchstaben (ein bisschen, vor allem, die beiden, die wenigen), schreibt in anderen den grossen vor (der Erstere, im Übrigen) und erlaubt in weiteren Fällen beide Möglichkeiten (der eine / Eine, der andere / Andere, bei Weitem / bei weitem, aufs Beste / aufs beste). Die SOK hält diesen partiellen Schritt zurück ins 19. Jahrhundert für sinnlos und empfiehlt bei Adverbien (sowie adverbial gebrauchten Fügungen) und Pronomen (sowie pronominal gebrauchten Adjektiven und Zahlwörtern) die Kleinschreibung: der erstere, der letztere, derartiges, das wenigste, verschiedenes, alles mögliche, der erste, der gekommen ist, jung und alt, arm und reich, gross und klein, der nächste, der erste beste, die vielen, kein einziger; im übrigen, im folgenden, im allgemeinen, im voraus, im weiteren, des weiteren, im nachhinein, im besonderen, im grossen und ganzen. Ausnahmen: um ein Beträchtliches, um ein Mehrfaches, um ein Vielfaches. Die Schreibungen der eine, der andere usw. bzw. bei weitem, aufs beste, ohne weiteres, vor kurzem, seit langem usw. ergeben sich aus dem Grundsatz der SOK „Bei Varianten die herkömmliche“.

Mit dem grossen Buchstaben wird bei den substantivierten Adverbien eine andere Bedeutung bezeichnet: im Geringsten treu sein, aufs Schlimmste gefasst sein, sich des Weiteren erinnern. Im Allgemeinen wird der Geist mir schwindeldumpf,/ Und vorm Besondern gar ist jeder Sinn mir stumpf (Rückert).

Desgleichen bei den substantivierten Pronomen mit Zurücktreten der Zahlbedeutung: die Ersten = die Vornehmen, die Letzten = die Niedrigen; die Ersten werden die Letzten sein; Fritz ist der Erste geworden (d. h. er hat Rang und Pflichten des Primus erhalten).

Die Grossschreibung der Substantive ist eine Errungenschaft des Deutschen. Sie ist eine Lesehilfe, weil sie auf einen Blick zeigt, worum es in einem Text geht. Diese Lesehilfe wird ad absurdum geführt, wenn Unwichtiges gross geschrieben werden muss.

– Tageszeiten

Die Angaben von Tageszeiten wie heute abend enthalten selbst nach den Kriterien von R069 kein Substantiv. Die Grossschreibung ist also auch nach R06 unbegründet. Steht am vor der Fügung, muss in der herkömmlichen Rechtschreibung entschieden werden, ob die Angabe einmalig oder wiederkehrend ist (am Dienstag abend = einmalig, am Dienstagabend = wiederkehrend). Das hält auch die SOK für zu fein gesponnen.

Die SOK empfiehlt eine einfache Lösung, die dem Gebrauch in der Literatur entspricht. Sie folgt dabei Walter Heuer, dem früheren Chefkorrektor der NZZ (Richtiges Deutsch, 1960‒1976, Zif. 629‒632), und Joseph Lammertz (Vollständige Rechtschreiblehre):

Gross-/Kleinschreibung: Die SOK empfiehlt, die Bezeichnungen der Tageszeiten in Fügungen mit heute, [vor]gestern, [über]morgen, neulich und mit Wochentagen klein zu schreiben: heute abend, gestern vormittag, morgen mittag, vorgestern nacht, übermorgen mitternacht, neulich nacht, [am] Dienstag abend.

Beachte: Klein geschrieben werden die Formen mit Biegungs-s, wenn sie ohne Artikel stehen: morgens, abends, nachmittags, frühmorgens, morgens früh, spätnachmittags, nachmittags spät, spätabends, abends spät, von morgens bis abends; tags darauf, sonntags, feiertags, werktags, wochentags; neulich nachts. Aber: des Abends, eines Morgens, des Sonntags, des Nachts, eines Spätnachmittags, eines Spätabends, eines Dienstagvormittags, eines schönen Sonntagmorgens usw.

Zusammen-/Getrenntschreibung: Fügungen mit Wochentagen als Vorderglied, denen ein unverschmolzener Artikel vorangeht, werden immer zusammengeschrieben: ein Sonntagabend, der Dienstagmorgen, der Montagnachmittag, in der Freitagnacht. Bei Fügungen mit Wochentagen als Vorderglied, denen kein unverschmolzener Artikel vorangeht, empfiehlt die SOK, die Schreibung dem Schreiber zu überlassen, d. h. davon auszugehen, dass er mit der unterschiedlichen Schreibung eine unterschiedliche Betonung ausdrücken möchte: ich komme Dienstag morgen10 / Dienstagmorgen, am [frühen, gestrigen] Mittwoch morgen / Mittwochmorgen, bis zum [späten, morgigen] Dienstag vormittag / Dienstagvormittag, bis [nächsten] Freitag abend / Freitagabend, seit [letztem] Montag nachmittag / Montagnachmittag, jeden Mittwoch nachmittag / Mittwochnachmittag. Üblicher ist bei Fügungen mit am, bis [zum], seit, jeder jedoch die Zusammenschreibung, besonders in erweiterten Fällen wie am frühen Sonntagmorgen, bis zum späten Montagabend, und ohne am usw. die Getrenntschreibung: ich komme Dienstag abend.

Beachte: Fügungen mit nachgestelltem früh und spät werden immer getrennt geschrieben, ebenso Fügungen mit nacht bei vorangestelltem am: am Mittwoch früh, bis Freitag spät, am Samstag nacht.

Die SOK empfiehlt entgegen der herkömmlichen Regelung und entgegen R06, auch die getrennten Formen spät abends, früh morgens und in Verbindung mit dem Namen eines Wochentags alle Formen zu tolerieren: freitagabends (R06), Freitag abends (herkömmlich), freitags abends.

– lateinische und griechische Fügungen, Fügungen aus romanischen Sprachen

R06 verlangt, alle Substantive in lateinischen und griechischen Fügungen sowie in solchen aus romanischen Sprachen gross zu schreiben (jedoch inkonsequenterweise: L’art pour l’art). Die SOK glaubt nicht, dass dem Schreiber hier eine Wortartanalyse zugemutet werden sollte (Modus Vivendi, aber Circulus vitiosus) – wo ihm doch in der Silbentrennung und anderswo sogar viel elementarere Kenntnisse der Wortbildung nicht zugetraut werden. Sie empfiehlt, bei diesen Fügungen wie in der herkömmlichen Rechtschreibung nur den ersten Buchstaben gross zu schreiben: Ultima ratio, Angina pectoris, Modus vivendi, Tête-à-tête, Commedia dell’arte. In formelhaften Fügungen empfiehlt die SOK keinen Grossbuchstaben zu verwenden: cum laude, in absentia, à la carte. Das gilt auch für geflügelte Worte: carpe diem. Ausnahmen sind Eigennamen (Pro Juventute) sowie Gott/Teufel (Agnus Dei, Advocatus Diaboli).

Wird die Fügung hervorgehoben, z. B. durch Kursivschrift oder Anführungszeichen, kann sie klein geschrieben werden: „modus vivendi“, tête-à-tête.

– Verbindungen mit -mal

Bei den Verbindungen mit -mal hat R06 das Allerweltswort jedesmal aufgehoben und lässt nur die Wendung jedes Mal gelten. Von den vielen anderen herkömmlichen Wendungen dieser Art anerkennt sie nur (als nicht betonte Varianten) ein paarmal, einmal, dutzendmal, fünfundsiebzigmal (usw.), hundertmal, tausendmal, sovielmal, wievielmal (und ein andermal; diese „verschmolzene“ Wendung kann aber ohnehin nur zusammengeschrieben werden).

Die SOK empfiehlt bei Verbindungen mit -mal in herkömmlicher Art die Zusammenschreibung als Normalfall, die Getrenntschreibung bei besonderer Betonung: Du hast mir nicht ein Mal geschrieben! bedeutet etwas anderes als Du hast mir nicht einmal geschrieben!

– feste Redewendungen

Feste Redewendungen vom Typ im Argen liegen, im Trüben fischen, ins Trockene bringen, auf dem Laufenden sein, im Dunkeln tappen sind in der Literatur nicht einheitlich geschrieben. Es zeigt sich freilich eine Tendenz hin zum kleinen Buchstaben. Die SOK empfiehlt, die Schreibung dem Schreiber zu überlassen und damit R06, die Grossschreibung verlangt, nicht zu folgen, d. h. auch die Kleinschreibung zuzulassen: im argen liegen, im trüben fischen, ins trockene bringen, auf dem laufenden sein, im dunkeln tappen.

– feste Begriffe und namensähnliche Fügungen

Die SOK empfiehlt, bei festen Begriffen und namensähnlichen Fügungen, die gross oder klein geschrieben werden können, grundsätzlich die herkömmliche Variante zu verwenden, z. B.: aktuelle Stunde, blauer Brief, Erste Hilfe, das Ewige Licht, gelbe Karte, gelbes Trikot, der Goldene Schnitt, das Goldene Zeitalter, eine graue Eminenz, die grosse Koalition, grüne Grenze, grüne Lunge, das grüne Trikot, der Heilige Krieg, die Hohe Schule (Reiten), der Letzte Wille, die multiple Sklerose, die neue Linke, die neue Mitte, die neuen Medien, das Schwarze Brett, das schwarze Gold, die Schwarze Kunst, der schwarze Mann, der Schwarze Tod, Schwarzer Peter, schwarzes Loch, der weisse Sport, der Weisse Tod, das Zweite Gesicht, rote Karte usw. Ausnahmen: Grosse Anfrage, Kleine Anfrage, Schneller Brüter. Fehlt der Begriff in der herkömmlichen Schreibung, empfiehlt die SOK, in der Regel die vom Duden empfohlene Schreibung zu verwenden, z. B. Dringliche Anfrage.

In folgenden Fällen empfiehlt die SOK eine von R06 bzw. vom Rechtschreib-Duden abweichende Schreibung: Allgemeine Geschäftsbedingungen, Alpine Kombination, Diplomatisches Korps, nationales olympisches Komitee, neue Eisenbahn-Alpentransversale, Nordische Kombination, der rote Halbmond (Emblem), das rote Kreuz (Emblem), die Soziale Marktwirtschaft (Ludwig Erhards).

Im Rechtschreib-Duden nicht oder nicht mehr aufgeführte, jedoch von der SOK empfohlene Schreibun­gen sind z. B.: Alpine Skimeisterschaften, atlantische Gemeinschaft, atlantisches Bündnis, Beleuchtender Bericht, Deutsches Olympisches Komitee, Dringlicher Bundesbeschluss, dritte Säule, die eidgenössischen Räte, Einfache Anfrage, erste Kammer (Schweizer Nationalrat), Erste Kammer (niederländisches Par­lament), erste Säule, Gemischter Ausschuss, grosse Kammer (Schweizer Nationalrat), kleine Kammer (Schweizer Ständerat), laufende Rechnung, die nordischen Disziplinen, olympische Fahne, parlamentari­sche Initiative, Politische Gemeinde, Politisches Gut, der rote Kristall (Emblem), das Schwarze Afrika, Schweizerisches Olympisches Komitee, Spanischer Bürgerkrieg, stille Wahl, Technischer Delegierter (Schweizer Skiverband), zweite Kammer (Schweizer Ständerat), Zweite Kammer (niederländisches Parla­ment), zweite Säule.

– Einzelfälle der Gross-/Kleinschreibung

R06 tendiert entgegen dem langjährigen Trend zu vermehrter Grossschreibung, jedoch mit Ausnahmen, z. B. hungers sterben, Verkauf an privat, es ist rechtens, auf Nummer sicher (Variante), an Eides statt, Klage gegen unbekannt. Die SOK empfiehlt davon es ist rechtens (ausser fachsprachlich), dagegen Hungers sterben, Verkauf an Privat, auf Nummer Sicher, an Eides (Kindes/Zahlungs) Statt, Klage gegen Unbekannt. Die SOK empfiehlt ausserdem ausser acht lassen, sich in acht nehmen, etwas sein eigen nennen.

 

3. ä-Schreibungen

Die SOK stellt fest, dass die in R06 von e auf ä und von ä auf e geänderten Schreibungen willkürlich herausgepickt sind. Mit der gleichen Begründung des „Stammprinzips“ hätte man auch belägt (wegen Belag), dänken (wegen Gedanken), ädel (wegen Adel), Spängler (wegen Spange), käntern (wegen Kante), mässen (wegen Mass), sätzen (wegen Satz), frässen (wegen Frass) und Hunderte weiterer Wörter verändern (oder wie bei aufwändig die ä-Form als Variante zulassen) können. Die SOK empfiehlt deshalb, die Wechsel von e auf ä und von ä auf e (Wechte) von R06 nicht zu beachten. Ausnahme: Bändel (schon herkömmlich schweiz. so). Die Schreibungen bei den Varianten aufwendig, Schenke und Stendel[wurz] ergeben sich aus dem Grundsatz der SOK „Bei Varianten die herkömmliche“. Bei Blesshuhn, kätschen, krängen, räkeln empfiehlt die SOK diese üblicheren Varianten.

 

4. Falsche Herleitungen

In einigen Fällen hat R06 als Erleichterung für Primarschüler scheinbare, das heisst falsche Herleitungen zur einzig gültigen Schreibung erhoben. Die SOK empfiehlt, diese falschen Herleitungen (z. B. belämmert statt belemmert, Zierrat statt Zierat, Tollpatsch statt Tolpatsch, nummerieren statt numerieren, [de]platziert statt [de]plaziert) nicht zu verwenden (bei Numero und Numerale sowie pränumerieren, renumerieren und subsumieren bleibt auch R06 bei einem m). Ebenso empfiehlt die SOK, längst verlorene und von R06 wiederbelebte etymologische Bezüge wie behände oder Stängel nicht zu verwenden. Bei greulich/gräulich empfiehlt die SOK, den Bedeutungsunterschied zu beachten. Bei Mesmer/Mesner ergibt sich die Schreibung aus dem Grundsatz der SOK „Bei Varianten die herkömmliche“.

 

5. Fremdwörter

– generell

Die Integration englischer Fremdwörter ist heute kaum noch üblich. Sie ist in R06 überdies unsystematisch durchgeführt. Geplant waren: Bopp (statt Bob!), fitt, Flopp, Frittfliege, Hitt, Mopp, Pepp, Popp, Sett, Stepp, Stripp, Tipp, Topp. Davon sind übriggeblieben: Mopp, Stepp und Tipp – eine zufällige Auswahl. Besonders störend ist die Eindeutschung, wo sie mit einem englischen Wort zusammenfällt wie in Quickstepp, Onestepp, Twostepp. Es besteht auch kein Anlass, die Substantive den Ableitungen anzupassen (Tipp wegen tippen), R06 passt Pop, Rap, Top trotz poppig, Rapper, toppen auch nicht an. Die SOK empfiehlt in allen Fällen die nicht eingedeutschte Schreibung. Stopp war bereits in der herkömmlichen Rechtschreibung als Variante neben Stop eingeführt. Die SOK empfiehlt auch hier die nicht eingedeutschte Schreibung Stop, wie sie auf unzähligen Verkehrsschildern zu lesen ist.

Bei chemischen Fachbegriffen (z. B. Kalzium/Calcium, Azetat/Acetat) empfiehlt die SOK, in Fachtexten die nicht eingedeutschte Variante zu tolerieren, in andern Texten jedoch die eingedeutschte Variante zu verwenden.

In einzelnen Fällen empfiehlt die SOK, die Schreibung je nach Bedeutung zu unterscheiden, z. B.: Capitol (Kongresspalast in Washington) / Kapitol (Burg Alt-Roms), Departement (Verwaltungsabteilung) / Département (Verwaltungsbezirk in F), Disengagement (im politischen/nichtpolitischen Sinn) / Désengagement (v. a. im nichtpolitischen Sinn), Eurhythmie (Gleichmass von Bewegungen) / Eurythmie (Bewegungskunst in der Anthroposophie), Kanapee (Sofa) / Canapé (belegtes Brötchen), Krepp (Gewebe) / Crêpe (Kuchen), Plastic (Kunststoff) / Plastik (Werk der Bildhauerkunst), Réception (Empfangsbüro) / Rezeption (Aufnahme, z. B. eines Textes), Supplement (Buchw. Ergänzungsband) / Supplément (kulinarisch), Tricot (Stoff) / Trikot (Kleidungsstück).

Bei folgenden im Rechtschreib-Duden und im amtlichen Wörterverzeichnis nicht aufgeführten Fremdwörtern empfiehlt die SOK die Schreibungen: Américaine (Radsport), Complet, Kopräsident, Kreateur, Oxidoreduktion, Phalange (Partei in Libanon).

Als Ausnahme vom Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ verzichtet die SOK auf eine Empfehlung bei den t/z-Schreibungen (potentiell/potenziell, Justitiar/Justiziar usw.), da sich diese Schreibungen offensichtlich im Umbruch befinden. In den Fällen circa/zirka und Disk/Disc verzichtet die SOK ebenfalls auf eine Empfehlung, da der Schreibgebrauch unentschieden ist.

Bei der ph/f-Schreibung empfiehlt die SOK, Foto, Fotograf, Grafik, Telefon und Telegraf und deren Ableitungen (sowie Elefantiasis) mit f zu schreiben, alle andern Wörter mit den Stämmen phot[o], phon[o] und graph[o] sowie Delphin mit ph. Im Falle von Fantasie/Phantasie empfiehlt die SOK, die Schreibung je nach Bedeutung zu unterscheiden: Fantasie (Musikstück) / Phantasie (Einbildungs-, Vorstellungskraft). Beachte: Foto nur mit f, wenn es die Kurzform von Fotografie ist, also: Fotoalbum, aber: Photosynthese.

CH – für die Schweiz

R06 nimmt bei der Schreibung von Fremdwörtern auch nach der Wieder- oder Neuaufnahme der Wörter Caramel, Communiqué und Couvert sowie Enquête, Entrée und Résumé als schweizerische Varianten ungenügend auf den Usus in der Schweiz Rücksicht. So werden Décolleté (herkömmlich und im Fremdwörter-Duden als schweizerische Variante geführt) und Menu (im Fremdwörter-Duden als schweizerische Variante bezeichnet) und auch andere in der Schweiz gebräuchliche Varianten wie Bohème, Début, Entre­côte und Tea-Room weiterhin nicht aufge­führt.

Die SOK empfiehlt, bei Fremdwörtern grundsätzlich die nicht eingedeutschte Variante (z. B. Chanson­nette, Chansonnière, Crème, Dépendance, Ecossaise, Portemonnaie, Spaghetti) bzw. die vom Rechtschreib-Duden als schweizerisch bezeichnete Variante (z. B. Apéro, Buffet, Caramel, Communiqué, Couvert, Defaitismus, Enquête, Entrée, Meringue, Mousseline, Négligé, Occasion, Praliné, Quai, Résumé, Rendez-vous, Skore, Tricot [Stoff], Usanz, Variété) zu verwenden. Ausnahmen sind z. B. die allgemein gebräuchlichen, eingedeutschten Schreibungen Biskuit, Frottee, Gelee, Interieur, Jacht, Kampagne, Klischee, Koffein, Kompanie, Korps, Mokka, Reduit, Regime, Soiree, Visavis, Zirkus. Als Faust­regel diene der Grundsatz „Bei fremder Aussprache fremde Schreibung“11. Mischformen wie Kommuni­qué, Ekossaise, Direktrice, Protegé sind, auch aus didaktischen Gründen, zu vermeiden.

Die SOK empfiehlt (u. a.) in folgenden Fällen von R06 (und meist auch von der herkömmlichen Regelung) abweichende Schreibungen: Apéritif (nicht: Aperitif), As (nicht: Ass), Bay (nicht: Bai), Bohème (nicht: Boheme), Bohémien (nicht: Bohemien), Bonbonnière (nicht: Bonbonniere oder Bonboniere), Cédille (nicht: Cedille), Championnat (nicht: Championat), Cognac (Weinbrand, nicht: Kognak), Crayon­manier (nicht: Krayonmanier), Début (nicht: Debüt), Décharge (nicht: Decharge), Décolleté (nicht: Dekolleté oder Dekolletee), Déjeuner (nicht: Dejeuner), deplaziert (nicht: deplatziert), Directrice (nicht: Direktrice), Ecarté (im Fremdwörter-Duden für Position im Ballett aufgeführt, nicht: Ekarté), Eclat (nicht: Eklat), Entrecôte (nicht: Entrecote), Etagère (nicht: Etagere), Flambé (nicht: Flambee), Friteuse (nicht: Fritteuse), Friture (nicht: Frittüre), Menu (nicht: Menü), Nécessaire (nicht: Necessaire oder Nessessär), Ouverture (nicht: Ouvertüre), Pédicure (nicht: Pediküre), Platitüde (nicht: Plattitüde oder Platitude), plazieren (nicht: platzieren), Protégé (nicht: Protegé), Stukkatur (nicht: Stuckatur), Vademe­cum (nicht: Vademekum).

Bei der Transkription arabischer Namen und Ausdrücke empfiehlt die SOK, der Regelung der NZZ zu folgen, d. h. die Transkription von Namen aus vormals unter französischer Herrschaft stehenden Ländern (Algerien, Libanon, Marokko, Mauretanien, Syrien, Tunesien) in die französische Lautung, aus vormals unter britischer Herrschaft stehenden in die englische Lautung zu transkribieren. In beiden Fällen steht für deutsches j → y, für dsch → j, für ch → kh, ausserdem französisch u → ou, sch → ch, englisch u → u, sch → sh: Chebaa-Höfe (nicht: Schebaa- oder Sheba-Höfe), Fedayin (nicht: Fedajin), Jihad (nicht: Dschihad), Mujahedin (nicht: Mudscha­heddin, Taj Mahal (nicht: Tadsch Mahal).

 

6. Kein Bindestrich beim Zusammentreffen von Ziffern und Buchstaben

R06 sieht einen schwer lernbaren Mischmasch vor: 19-jährig, 32stel, 16fach / 16-fach, 90er, 90-mal. Besonders störend ist bei der Substantivierung solcher Verbindungen die Grossschreibung von Wortbestandteilen, die gar keine Substantive sein können, wie in das 8-Fache (Suffix) oder der 10-Jährige. Die SOK empfiehlt, die einfache herkömmliche Regelung ohne Bindestrich zu verwenden. Es ist unnötig, Ziffer und Buchstabe mit einem Bindestrich zu trennen, da beim fugenlosen Übergang zwischen Ziffer und Buchstaben für den Leser kein Missverständnis entstehen kann: 19jährig, 32stel, 16fach, 90er, 90mal; der 19jährige, das 16fache. (Die Schreibungen 16fach / das 16fache ergeben sich aus dem Grundsatz der SOK „Bei Varianten die herkömmliche“.) Bei Verbindungen von Ziffern und Buchstaben mit Wortabstand wie A 1 (Autobahn 1) ist in einer Zusammensetzung natürlich der Bindestrich zu setzen (Durchkupplung): A-1-Varianten.

 

7. Ableitungen von Personennamen

Die SOK empfiehlt, die Ableitungen von Personennamen auf -isch und -sch grundsätzlich klein zu schreiben (ohmsches Gesetz, ohmscher Widerstand, platonische Liebe, homerisches Gelächter), unabhängig davon, ob die Person als Schöpfer oder Verursacher dahintersteht (herkömmlich Grossschreibung) oder der Begriff bloss nach der Person benannt wird (schon herkömmlich Kleinschreibung). Ausnahme: Namen oder zu Namen gewordene Ableitungen wie Cansteinsche Bibelanstalt, Halleyscher Komet (nur gross).

Wenn der Name aus irgendwelchen Gründen hervorgehoben werden soll, unabhängig davon, ob die Person als Schöpfer oder Verursacher dahintersteht, kann er gross geschrieben werden (Archimedischer Punkt, Gregorianischer Kalender). Die SOK empfiehlt jedoch entgegen R06, dabei auch Ableitungen auf -sch ohne Apostroph (Ohmsches Gesetz, Ohmscher Widerstand) zu schreiben.

 

8. Orthographische Besonderheiten bei geographischen Namen12

– Ableitungen von mehrgliedrigen geographischen Namen

Bei mehrgliedrigen geographischen Namen empfiehlt die SOK, das Adjektiv in einem Wort (baselstädtisch, sanktgallisch, abgekürzt st.-gallisch, costaricanisch, srilankisch) und den Einwohner in zwei Wörtern mit Bindestrich zu schreiben (San-Marinese), bei Ableitungen auf -er den Bindestrich jedoch wegzulassen (Bad Ragazer, St. Galler, New Yorker, Sierra Leoner). Bei (mit Bindestrich geschriebenen) Zusammensetzungen aus zwei geographischen Namen (Doppelnamen) bleibt der Bindestrich sowohl im Adjektiv als auch beim Einwohner erhalten: guinea-bissauisch, Papua-Neuguineer, schleswig-holsteinisch, Baden-Württemberger.

Bei Verbindungen von geographischen Bezeichnungen empfiehlt die SOK, gemäss herkömmlicher Rechtschreibung zu differenzieren: deutschschweizerische Dialekte (zu: deutsche Schweiz) / ein deutsch-schweizerisches Abkommen (zu Deutschland/Schweiz), Anglo-Amerikaner (Sammelname für Engländer und Amerikaner) / Angloamerikaner (aus England stammender Amerikaner).

In den meisten Fällen kann die Einwohnerbezeichnung als Ersatz für das Adjektiv verwendet werden (analog zu z. B. Schweizer Gesetze). Bei Ableitungen auf -sch ist zu beachten, dass die Möglichkeit der Verdeutlichung des Eigennamens in R06 anders als bei Personennamen (z. B. Ohmʼsches Gesetz) nicht besteht. Es gibt deshalb kein Hannoverʼsch und damit auch kein Hannoversch in Analogie zu Personen­namen (z. B. Ohmsches Gesetz), ausser natürlich in Eigennamen wie Hannoversche Allgemeine Zeitung.

– Zusammenschreibung von Ableitungen auf -er mit dem Grundwort

Ableitungen auf -er von geographischen Namen werden mit dem folgenden Wort zusammengeschrieben, wenn sie Personen bezeichnen (wie in Schweizergarde, Römerbrief, Danaergeschenk).

CH Die SOK empfiehlt, Zusammensetzungen mit Berg, Feld, Gasse, Land, See, Strasse, Wald, Weg u. ä. gemäss schweizerischem Usus auch dann zusammenzuschreiben, wenn die Form auf -er im Vorderglied keine Personen bezeichnet: Zugerberg, Rafzerfeld, Auseerland, Bielersee, Badenerstrasse, Schwanderweg, Wienerwald (aber: Walliser Alpen, Knonauer Amt, Lüneburger Heide), und bei mehrgliedrigen Namen durchzukuppeln: St.-Galler-Strasse. Zusammenschreibung wird auch bei Typenbezeichnungen wie Bündnerfleisch, Emmentalerkäse, Schweizerfranken empfohlen.

– Eindeutschungen von ausländischen geographischen Namen

Die SOK empfiehlt, bei orthographischen Varianten von ausländischen geographischen Namen grundsätzlich die fremdsprachige zu verwenden (z. B. Ecuador, Himalaya, Kyoto, Moçambique, Nicaragua) bzw. die vom Rechtschreib-Duden als schweizerisch bezeichnete (Botswana, Djibouti). Ausnahmen z. B.: Biskaya, Brasilia, Kap Verde, Magellanstrasse, Malwinen, Quebec, Tokio.

Häufig verwendete geographische Namen, bei denen nur noch die deutsche Schreibung gilt, sind z. B.: Fidschi, Kairo, Kalifornien, Kambodscha, Kanada, Kaschmir, Katar, Kopenhagen, Kuba, Marokko, Mexiko, Paschtunistan, Saragossa, Simbabwe, Tadschikistan, Tschad, Zypern.

Bei folgenden Namen (samt entsprechenden Ableitungen) empfiehlt die SOK eine vom Rechtschreib-Duden abweichende Schreibung: Bangladesh (nicht: Bangladesch), Bermuda (nicht: Bermudainseln, Bermuda-Inseln, Bermudas), Jamaica (nicht: Jamaika), Kenya (nicht: Kenia), Mogadiscio (nicht: Mogadischu), Punjab (nicht: Pandschab). Bei Mexico City / Mexiko-Stadt verzichtet die SOK angesichts des unentschiedenen Usus auf eine Empfehlung.

 

9. Einzelfälle

Die SOK empfiehlt, die herkömmliche Schreibung rauh zu verwenden und nicht die von R06 eingeführte rau. Das h ist sowohl etymologisch berechtigt (schweizerdt. ruuch) als auch in seiner Funktion als Blickfang-h, das die zum Vergleich herangezogenen Adjektive blau, schlau und genau nicht brauchen. Das von R06 zu Raunächte verkürzte Rauhnächte hängt gar nicht mit rauh, sondern, wie die alternative Schreibung Rauchnächte zeigt, mit Weihrauch zusammen und soll sein h behalten dürfen.

Die SOK empfiehlt ferner, die herkömmlichen Schreibungen Jäheit (nicht: Jähheit), Roheit (nicht: Rohheit) und Zäheit (nicht: Zähheit) zu verwenden (und, trotz der empfohlenen Schreibung rauh, selbstverständlich auch weiterhin Rauheit zu schreiben). Hoheit wird auch nach R06 mit nur einem h geschrieben.

In der herkömmlichen Rechtschreibung kann und in R06 muss ein e weggelassen werden, wenn auf –ee oder –ie die Flexionsendungen oder Ableitungssuffixe -e, -en, -es, -ell folgen (Feen; die Ideen; die Mondseer, des Sees; die Knie, knien; die Fantasien; sie schrien, geschrien; ideell; industriell). Entgegen R06 empfiehlt die SOK, das e in der Möglichkeitsform beizubehalten, weil Möglichkeits- und Vergangenheitsform sonst nicht unterscheidbar sind: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?“ (Rilke).

CH Eine Besonderheit sind die schweizerischen Schreibungen Bretzel (statt: Brezel) und Cheib (statt: Keib), die in R06 eingeführt worden sind. Die SOK empfiehlt deren Verwendung. Bei planschen/plantschen ergibt sich die Schreibung (planschen) aus dem Grundsatz der SOK „Bei Varianten die herkömmliche“.

Als Ausnahme vom Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ verzichtet die SOK auf eine Empfehlung bei den Zusammensetzungen mit Alb-/Alp- (z. B. Alptraum/Albtraum). Für Alb- spricht die Etymologie, für Alp- die Aussprache (Auslautverhärtung).

Bei selbständig/selbstständig (samt Ableitungen und Zusammensetzungen) handelt es sich gar nicht um Varianten, sondern um verschiedene Wörter mit unterschiedlichem Stamm (vgl. z. B. selb- in selbdritt). Die SOK empfiehlt die Schreibung selbständig. Sie entspricht der Etymologie und der allgemein üblichen Aussprache.

Beispiele für empfohlene Schreibungen, die von R06 abweichen:

herkömmlich (empfohlen) R06 (nicht empfohlen)
alleinseligmachend allein selig machend / allein seligmachend
ausser acht lassen ausser Acht lassen
in acht nehmen in Acht nehmen
an Eides Statt an Eides statt
arm und reich Arm und Reich
As Ass
behende behände
belemmert belämmert
Cédille Cedille
Corpus delicti Corpus Delicti
der erste, der gekommen ist der Erste, der gekommen ist
derartiges Derartiges
des weiteren des Weiteren
einbleuen einbläuen
folgendes Folgendes
Friteuse Fritteuse
Gemse (aber: Bändel) Gämse
gestern nacht gestern Nacht
Greuel Gräuel
greulich (grauenhaft) gräulich
gross und klein Gross und Klein
gross schreiben (mit grossem Buchstaben) grossschreiben (mit grossem Buchstaben)
heute abend heute Abend
Hungers sterben hungers sterben
im besonderen im Besonderen
im folgenden im Folgenden
im grossen und ganzen im Grossen und Ganzen
im nachhinein im Nachhinein
im voraus im Voraus
im weiteren im Weiteren
Jäheit Jähheit
jedesmal (ausser bei Betonung von Mal) jedes Mal (ausschliesslich so)
jung und alt Jung und Alt
Klage gegen Unbekannt Klage gegen unbekannt
morgen vormittag morgen Vormittag
numerieren nummerieren
plazieren platzieren
Quentchen (aber: Bändel) Quäntchen
rauh rau
schneuzen schnäuzen
sein eigen nennen sein Eigen nennen
Stengel (aber: Bändel) Stängel
Step Stepp
Tea-Room Tearoom
Tip Tipp
Tolpatsch Tollpatsch
überschwenglich überschwänglich
Verkauf an Privat Verkauf an privat
Wächte Wechte
Zäheit Zähheit
Zierat Zierrat

 

D. Fälle, in denen die SOK keine Empfehlung gegen die Schreibungen nach R06 abgibt

In verschiedenen Fällen gibt die SOK keine Empfehlung gegen reformierte alleingültige Schreibungen ab. Dazu gehören die Silbentrennung bei st (s-t) und ck (-ck), die Dreifachkonsonanten (Schifffahrt, aber: Glattal), das Komma nach Ausrufe- und Fragezeichen in angeführten Satzteilen („Gehst du?“, fragte sie, „Komm!“, rief er), die Eszett-Schreibung und beispielsweise folgende durch R06 veränderte Schreibungen:

ab sein jmdm. leidtun
abhandenkommen Jobsharing
abwärtsgehen Joint Venture
Aftershave Känguru
allzu oft kochend heiss
allzu sehr krankschreiben
allzu viel Maschine schreiben
allzu wenig Mitte [der] achtzig
auf Deutsch nottun
auf null stehen parallel schalten
auf sein pleitegehen
aufwärtsgehen Probe fahren
aus Schwarz Weiss machen Rad fahren
aus sein rötlich braun
auseinandersetzen (in allen Bedeutungen) sauber halten
bankrottgehen Schifffahrt (aber: Glattal)
beisammen sein schmutzig grau
beiseitelegen schnelllebig
bestehen bleiben siedend heiss
bläulich grün so weit wie möglich
Brennnessel (aber: Glattal) so viel wie
brütend heiss so weit wie möglich
da sein sonst jemand (ugs. für irgendjemand)
dabei sein spazieren gehen
Diät leben Stillleben (aber: Glattal)
die Haare föhnen stilllegen
drückend heiss streng nehmen
ebenso gut Tabula rasa machen
ebenso sehr über achtzig
Eisschnelllauf (aber: Glattal) um sein
es ist rechtens (ausser Fachsprache: Rechtens) umso
es ist so weit unter der Hand
Foto viel zu viel
frittieren viel zu wenig
gefangen halten vorwärtsgehen (in allen Bedeutungen)
gefangen nehmen wie viel
geheim halten Zolllinie (aber: Glattal)
genau das Richtige für mich zu sein
genauso gut zu viel
genauso wenig zu wenig
helllicht zugutehalten
hier sein zugutekommen
High Society zugutetun
im Bösen wie im Guten zunichtemachen
in Bezug auf zupasskommen
irgendetwas zurzeit
irgendjemand zusammen sein
jmdm. Angst und Bange machen zuteilwerden

Bei Glattal empfiehlt die SOK in Übereinstimmung mit der Schweizerischen Landestopografie und dem Kanton Zürich die herkömmliche Schreibung mit zwei t.13

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1 In diesem Dokument wird die in der Schweiz übliche ss-Schreibung angewendet. Die Empfehlungen sind aber, wo nicht anders erwähnt, in R06- oder herkömmlicher ß-Schreibung auch für Deutschland und Österreich anwendbar. Zur ß-Schreibung siehe auch Eszett – Adelung gegen Heyse

2 Mitglieder: Dr. phil. Urs Breitenstein, a. Verleger Schwabe Basel und a. Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes (SBVV); Uschi Klauser, Büro Klauser, Korrektorat und Sprachschulung; Peter Müller, a. Direktor der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) und deren Beauftragter für deutsche Rechtschreibung; Urs Remund, Leiter Korrektorat NZZ Folio; Dr. Suzan-Viola Renninger, Dozentin; Stefan Stirnemann, Sprachkreis Deutsch (SKD), Gymnasiallehrer, Sprachwissenschafter; Claudia Wirz, Redaktorin NZZ; Prof. Dr. Dr. Rudolf Wachter, Sprachwissenschafter, Universitäten Basel und Lausanne.

3 Bei den nicht übereinstimmenden Empfehlungen ergeben sich allerdings einige inkonsistente Schreibungen der Agenturen, z. B. bunt schillernd, aber hellstrahlend, parallel laufend, aber schräglaufend, weit verbreitet, aber vieldiskutiert, fest umrissen, aber breitgefächert, voll automatisiert, aber vielbefahren, flott gehen, aber gutgehen, gutgehen, aber gut gehend, wach liegen, aber stillsitzen, allein verbindlich, aber allgemeinverbindlich, gar gekocht, aber hartgekocht, flach klopfen, aber schieftreten, krumm biegen, aber geraderichten, kaputt schlagen, aber kahlschlagen, glatt ziehen, aber langziehen, kurz geschnitten, aber langgestreckt, nass schwitzen, aber trockenreiben, wahr machen, aber bekanntmachen, Beaufortskala, aber Basedow-Krankheit, Mammografie, aber Choreographie.

4 Seltsamerweise führen aber sowohl Duden wie Wahrig bei alle nase[n]lang nur die herkömmliche Variante auf.

5 Vollkommen, samt Endung lateinische Wörter wie Justitium sollten jedoch entgegen der (von Duden empfohlenen!) Variante in R06 nicht eingedeutscht werden.

6 Diese Feststellung gilt, obwohl es in R06 auch Gegenbeispiele gibt. In R06 nur noch zusammengeschrieben: ähnlichsehen, aufseiten/von­seiten/zuseiten (neben R06 auch: auf/von/zu Seiten), auseinandersetzen (die Schüler), sich zu etwas bereitfinden, sich bereithalten, darauf­legen, daraufsetzen, daraufstellen, grossschreiben (mit grossem Anfangsbuchstaben schreiben), irgendetwas, irgendjemand, kleinschreiben (mit kleinem Anfangsbuchstaben schreiben), krankschreiben, leidtun, schlaumachen, stattdessen, umso, verrücktspielen, zugrundelie­gend (neben R06 auch: zu Grunde liegend), zurzeit. In R06 als Variante auch zusammengeschrieben: alleingültig, alleinverbindlich, altmachen, armmachen, aussengelegen, bekanntgewesen, mit ihm bekanntgeworden, bekanntwerden, bessergehen, sich zu etwas bereiterklären, sich zu etwas bereitmachen, bewusstwerden, billigmachen, blanklegen, blankliegend, blankpolieren, blankputzen, blaufärben, blickenlassen, breittreten, breitschlagen, dahingehend, darüberhinausgehend, deutschamerikanischer Schiffsverkehr, deutschschweizerisches Abkommen, ein Fass dichtmachen (wörtlich), dickmachen, doppeltgemoppelt, jmdm. dummkommen, dunkelfärben, dunkellackieren, infrage stellen/kom­men, ein fälliggewordener Wechsel, den Weg freimachen (o. den Oberkörper f., sich von Vorurteilen f.), Kaffeeersatz, mithilfe, nachhause, nichtzutreffend, nochmal, sich die Haut rotscheuern, sich die Augen rotweinen, sodass, verlorengeben, wehtun, zuhause, zulasten, zurande kommen, jmdn. zurate ziehen; die Blumen sprechenlassen, die Kupplung kommenlassen, die Muskeln spielenlassen,eine Veranstaltung platzenlassen, setzenlassen (es erst einmal verarbeiten), eine Party steigenlassen, Projekte sterbenlassen, Feingefühl vermissenlassen, schleifenlassen (sich um nichts mehr kümmern), sich im Leben nicht einfach treibenlassen, sich etwas nicht bietenlassen, blickenlas­sen (schön, dass du dich wieder einmal blickenlässt), schmorenlassen (im ungewissen lassen), sie können sich sehenlassen (sind beachtlich), ein paar Euro springenlassen sowie zahlreiche mehrgliedrige englische Fügungen (Desktoppublishing, Dropout usw.).

7 B. Schaeder in G. Augst et al. [Hg.], Zur Neuregelung der deutschen Orthographie, Tübingen 1997, 203.

8 Diese Feststellung gilt, obwohl es in R06 auch Gegenbeispiele gibt. In R06 nur noch klein geschrieben: dutzende Male, du, dein, dir (in Briefen), die Dein[ig]en (Angehörigen), das dein[ig]e tun, hungers sterben, i-Tüpfelchen, das ihre beitragen, das Thermometer/der Zeiger der Waage steht auf null, die Stunde null, er fängt wieder bei null an, die Temperatur/die Stimmung sinkt unter null, in null Komma nichts (ugs. für sehr schnell), Verkauf an privat, es ist rechtens, Anzeige gegen unbekannt, an Eides statt. In R06 als Variante auch klein geschrieben: aberhunderte, abertausende, achtziger Jahre (eines Menschen), das seine beitragen, o-beinig, Zäpfchen-r, Zungen-r, s-förmig, auf Nummer sicher, das ist mir wurst/wurscht.

9 Nach R06 § 57 erkennt man substantivierte Wörter an mindestens einem der folgenden Merkmale: a) an einem vorausgehenden Artikel (der, die, das; ein, eine, ein), vorausgehenden Pronomen (dieser, jener, welcher, mein, kein, etwas, nichts, alle, einige …) oder unbestimmten Zahlwort (ein paar, genug, viel, wenig …), die sich auf das substantivierte Wort beziehen; b) an einem vorangestellten adjektivischen Attribut oder einem nachgestellten Attribut, das sich auf das substantivierte Wort bezieht; c) an ihrer Funktion als kasusbestimmtes Satzglied oder kasusbestimmtes Attribut.

10 Seit der 26. Auflage seines Rechtschreibwörterbuchs interpretiert Duden die amtliche Regel neu; Getrenntschreibung gilt nun auch ohne am als korrekt (bisher nur Zusammenschreibung, obwohl die Getrenntschreibung üblicher ist).

11 Der Grundsatz lässt sich jedoch nicht durchgehend einhalten, vgl. z. B. Biskuit, Gelee, Interieur, Klischee, Korps, Ragout, Reduit, Regime, Soiree, Visavis.

12 Siehe auch Empfehlungen der SOK zu nichtorthographischen Besonderheiten in geographischen Namen (mehrsprachige geographische Namen, Varianten und Besonderheiten bei Ableitungen, deutschschweizerische geographische Namen).

13 Siehe dazu die Medienmitteilung der Kommunikationsabteilung des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 5. Dezember 2002.