Von der SOK zur DOK?

Dr. Dr. h. c. Urs Breitenstein, Basel, Gründungsmitglied der SOK, sprach am 21. August 2008 in Stuttgart an der Jahresversammlung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) über die Schweizer Orthographische Konferenz:

Sehr geehrte Damen und Herren

Wenn die kleine Schweiz sich mit Deutschland misst, heisst es entweder nach 90 Minuten 4:0 für Deutschland (wie in jenem Fussball-Freundschaftsspiel in Basel kurz vor der schönen Euro08) oder beim Vergleich der Bevölkerungszahl jetzt über 10:1. Dasselbe Minderwertigkeitsgefühl beschleicht uns deutschsprachige Schweizer auch, wenn wir mit deutschen Kollegen deutsch sprechen, unsere beste Schriftsprache hervorholen und dann gelobt werden für diesen niedlichen Schweizerdialekt. Aber hier, in unserem Falle, geht es um ein gemeinsames Anliegen. „Deutsch. Eine Sprache wird beschädigt“ heisst der Titel eines Buches, das Sie, die Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V., mit der Bayerischen Akademie der Schönen Künste vor einigen Jahren herausgegeben haben (2003). Die Sache ist, besonders nach 2006, noch nicht erledigt, nicht in Deutschland, nicht in der Schweiz. Wir sind hier wie dort weiterhin gefordert.

Im Namen der Schweizer Orthographischen Konferenz SOK darf ich Ihnen die schönsten Grüsse überbringen. Leider sind meine Kollegen, und zwar alle kompetenter als ich, zu dieser Zeit verhindert, an Ihrer Zusammenkunft teilzunehmen, obwohl wir alle Ihnen gerne Mut machen und Sie zur Weiterarbeit ermutigen möchten. „Ein Konsens in der Rechtschreibfrage ist in Sicht“, sagt Peter E. Müller, und eine „Empfehlung der Konferenz der Chefredaktoren“ ist abgegeben worden, aus beiden Texten möchte ich Ihnen kurz zitieren.

Zum Hergang: Am 24. Mai bzw. 1. Juni 2006 hat eine kleine Gruppe von an der Sprache interessierten Persönlichkeiten – Sprachwissenschaftlern und Sprachpraktikern – etwas zufällig zusammengewürfelt, aber alle mit grosser Liebe zur deutschen Sprache, unter dem Namen „Schweizer Orthographische Konferenz SOK“ in Zürich eine einfache Gesellschaft gegründet. Sie organisiert seither regelmässig Tagungen und zählt heute Mitglieder aus den verschiedensten Bereichen (für alle Einzelheiten besuche man die Website www.sok.ch).

Ziel der Gründung war, die von der Rechtschreibreform beschädigte Einheitlichkeit und Sprachrichtigkeit der Rechtschreibung in Presse und Literatur der Schweiz wiederherzustellen. Die SOK erarbeitet Empfehlungen, die sie an Tagungen zur Diskussion stellt. Der wichtigste Grundsatz wurde an der ersten Tagung am 1. Juni 2006 verabschiedet: „Bei Varianten die herkömmliche“. Es wurde eine Arbeitsgruppe der SOK gebildet aus den Gründungsmitgliedern um Peter E. Müller, Direktor der Schweiz. Depeschenagentur SDA, Stefan Stirnemann, Sprachkreis Deutsch und Gymnasiallehrer, Prof. Dr. Dr. Rudolf Wachter, Sprachwissenschaftler der Universitäten Basel und Lausanne, Peter Zbinden, Präsident des Sprachkreises Deutsch, sowie dem Sprechenden, damals Verleger des Schwabe-Verlags (Gründungsjahr 1488) und Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands (bis April 2008). Zur Arbeitsgruppe dazu kam erfreulicherweise auch Stephan Dové, Chefkorrektor der NZZ und Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung. Mitbegründer der Gesellschaft waren zudem der Politiker und Verleger Filippo Leutenegger (als Nationalrat Mitglied des schweizerischen Parlaments) und Robert Nef, der Mitherausgeber der „Schweizer Monatshefte“.

Die Arbeitsgruppe hat in den vergangenen zwei Jahren (in ehrenamtlicher Tätigkeit) Wörterlisten ausgearbeitet für jene Fälle, in denen die Anwendung des Grundsatzes „Bei Varianten die herkömmliche“ zu keiner Entscheidung über die Schreibweise führt. An drei weiteren Tagungen stellte die SOK Empfehlungen vor, wo die schulamtliche Rechtschreibung nicht verwendet werden sollte: Fremdwörter, ä-Schreibungen, falsche Herleitungen, Ableitungen von Personennamen und geographische Ableitungen, Einzelfälle. Auch dafür hat die Arbeitsgruppe Wörterlisten erstellt.

Die SOK steht allen Personen offen, die die Ziele und Empfehlungen der Gesellschaft unterstützen. Der Beitritt ist kostenlos. Beitrittserklärung auf www.sok.ch, wo auch alle Empfehlungen und Wörterlisten einzusehen und auszudrucken sind.

Jetzt noch ein paar Sätze aus den angeführten Texten von Peter Müller, dem Federführenden unserer Arbeitsgruppe, sowie von Stefan Stirnemann zur Lage der Schule (zu den Verlagen des SBVV: zunächst, und zwar bald, Zusammenkunft der Schulbuchverleger, Deutschland inklusive, erst dann Empfehlung an die Mitglieder):

Zitate aus:

  • Ein Konsens in der Rechtschreibfrage ist in Sicht (Beilage 1)
  • Empfehlung der Konferenz der Chefredaktoren (Beilage 2)
  • Und zur Lage der Schule (von Stefan Stirnemann) (Beilage 3)

Sie sehen:
einerseits: es ist noch viel zu tun
andererseits: es herrscht weitherum Zuversicht, packen wir’s an!

Es wäre doch schön, wenn analog zur SOK in der Schweiz eine ebenfalls kleine Gruppe von Sachverständigen in Deutschland es an die Hand nähme, sozusagen eine DOK zu bilden, und der Sprache wiederum zur Korrektheit verhelfen würde. Wir könnten dann gemeinsam etwa im Jahre 2016 – 20 Jahre nach 1996 – zurücklehnen und sagen: Die Fehler jener missglückten Orthographiereform sind beseitigt. Die 20 Jahre der Unbill der Reform waren, wie es unser Sprachwissenschaftler Prof. Ruedi Wachter einst formuliert hat, ein Hustenanfall in der Geschichte der Sprache.

Ich wünsche Ihnen und uns viel Erfolg und sage gerne: auf Wiedersehen!
 

Dr. Dr. h. c. Urs Breitenstein war 1974–2007 im Verlag Schwabe & Co. AG, Basel tätig (zunächst als wissenschaftlicher Lektor, zuletzt als Mitbesitzer, Direktor, Verlagsleiter und Verwaltungsratspräsident). Bis April 2008 war er Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands. 2006 wurde ihm von der Universität Bern für die verlegerische Förderung der Geisteswissenschaften und für seinen Einsatz um eine Buch- und Lesekultur im In- und Ausland der Dr. phil. honoris causa verliehen.

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