22. April 2012
Ich hätte schon lange einmal gerne wissen wollen, ob man den gebräuchlichen Ausdruck in heller Aufruhr verwenden darf, wenn Duden angibt, das Substantiv sei maskulin. Denn wer folgende Ausdrücke mit Anführungs- und Schlusszeichen in die Suchmaschine Google eintippt, stellt fest, dass Aufruhr eher männlich benutzt wird, während die Wendung in heller Aufruhr etwa drei Mal so oft geschrieben wird als in hellem Aufruhr. Schreiben das so viele falsch oder darf Aufruhr in diesem Ausdruck feminin behandelt werden?
Ist Duden eigentlich die oberste Instanz apropos Rechtschreibung oder ist auf Wahrig genauso Verlass?
Konkrete Google-Aufrufe:
- Aufruhr 2’870’000 Ergebnisse
- in hellem Aufruhr 46’200
- in heller Aufruhr 135’000
- in Aufruhr 824’000
- der Aufruhr 93’000
- die Aufruhr 10’400
S. S.
Sehr geehrter Herr S.,
nach Duden muss in heller Aufruhr tatsächlich als falsch bezeichnet werden. Damit ist die Mehrheit der Schreibenden offensichtlich nicht einverstanden ‒ zu Recht, wie wir finden, denn Duden sollte die zwei Bedeutungen des Wortes 1) „heftige Bewegung“ und 2) „Empörung, Tumult, Erhebung“ unterscheiden:
Die erste Bedeutung ist die ältere, und sie war noch bis ins 18. Jahrhundert ausschliesslich weiblich. In der Wendung „in heller Aufruhr sein“ (und auch im in „Aufruhr“ enthaltenen „Ruhr“) hat sich dies erhalten, wie auch Ihre Google-Recherche zeigt. Das Genus in der jüngeren, zweiten Bedeutung ist heute ausschliesslich männlich, und das männliche Genus ist natürlich auch in der ersten, älteren Bedeutung nicht falsch.
Duden ist nicht mehr oberste Instanz der Rechtschreibung; dies zu ändern war eines der Ziele der Rechtschreibreform. Wahrig ist dem Duden gleichgestellt (er verhält sich im Fall „Aufruhr“ genau gleich). Heute ist der Rat für deutsche Rechtschreibung zuständig; an seine Entscheide sind aber selbstverständlich nur Schulen und öffentliche Verwaltungen gebunden.
Hier noch die entsprechenden Einträge in den Wörterbüchern:
DWDS (nach Wolfgang Pfeifer):
Aufruhr m. ‚Erhebung, Empörung‘, überhaupt ‚heftige Erregung‘ (vgl. nl. oproer, engl. uproar in derselben Bedeutung), ein Kompositum zu ahd. (h)ruora f., mhd. ruor(e) f. ‚eilige, heftige Bewegung‘ (s. Ruhr), das seinerseits zu ahd. (h)ruoren, mhd. rüeren, ruoren ‚bewegen, anrühren‘ (s. rühren) gehört, ist seit der Mitte des 15. Jhs. in hd. Texten, im 14. Jh. bereits in mnd. uprōr nachweisbar. Im Hd. bewahrt die Zusammensetzung das feminine Genus des Grundwortes noch bis ins 18. Jh., daneben kommt die Verwendung als Maskulinum in der 1. Hälfte des 16. Jhs. auf.
Duden, Herkunftswörterbuch:
Aufruhr „Empörung, Tumult, Erhebung“: Die seit dem 15. Jh. bezeugte Zusammensetzung enthält als Grundwort das unter ↑Ruhr behandelte Substantiv in dessen älterer Bed. „heftige Bewegung“.
Ruhr: Das auf das dt. und niederl. Sprachgebiet beschränkte Substantiv (mhd. ruor[e], ahd. [h]ruora, niederl. roer) ist eine Bildung zu dem unter ↑rühren behandelten Verb und bedeutete in den älteren Sprachzuständen zunächst „[heftige] Bewegung; Unruhe“. Diese Bedeutung bewahrt noch die Zusammensetzung ↑Aufruhr, beachte auch den Flussnamen ‚Ruhr‘. In mhdt. Zeit bezeichnete ‚Ruhr‘ dann auch speziell die heftige Bewegung im Unterleib. Heute ist das Wort ‒ wie auch im Niederl. ‒ nur noch als Krankheitsname gebräuchlich.
Grimm’s Wörterbuch:
Aufruhr. f. und m. …bei der älteren sprache ist das Wort weiblich, wie man auch „die ruhr“, in mehrfachem sinne sagt. ahd. hruora.
Peter Müller, SOK