klarermachen oder klarer machen?

2. April 2013

Wir sind uns in einer Rechtschreibfrage uneinig. Schreibt man im Satz:

Diese Signale werden aber nur eingesetzt, wenn sie die Situation klarer machen

klarer machen oder klarermachen?

Kann es in der Bedeutung „erklären“ verglichen werden mit (laut Duden online):

  • nahekommen: zu jemandem in eine enge Beziehung treten
  • näherkommen: zu jemandem in eine engere Beziehung treten

L. S.

 

Sehr geehrter Herr S.,

unseres Erachtens handelt es sich in Ihrem Beispielsatz nicht um die übertragene Bedeutung klarmachen, also «erklären» (z. B. Duden: „wir haben ihm seinen Irrtum klargemacht“), sondern um die wörtliche Bedeutung klar machen. Damit ist nicht nur die gesteigerte, sondern auch die ungesteigerte Form (Positiv) getrennt zu schreiben.

Ein Hinweis darauf ist, dass klarmachen in übertragener Bedeutung nicht gesteigert werden kann (weil es keinen Sinn ergäbe, vgl. den Duden-Beispielsatz: *wir haben ihm seinen Irrtum klarergemacht).

klarer machen ist damit nicht der gleiche Fall wie näherkommen, das sowohl in ungesteigerter wie gesteigerter Form übertragene Bedeutung hat.

Duden empfiehlt für solche Fälle anhand der Beispiele näherkommen, leichterfallen und schwererfallen die Zusammenschreibung:

Wenn das Adjektiv im Komparativ gesteigert wird, sollte die Zusammenschreibung beibehalten werden: Wir sind uns endlich nähergekommen.

Wahrig ist noch eindeutiger in den blauen Kästen zu klarsehen und nahestehen, nahetreten:

Idiomatisierte Verbindungen werden auch dann zusammengeschrieben, wenn das Adjektiv gesteigert ist: Man munkelt, dass sie einander näherstehen, als es den Anschein hat. Er wollte ihr nach dem gestrigen Ereignis nicht nähertreten.

Jedoch, wie oben ausgeführt: Wir halten klar machen in Ihrem Beispielsatz nicht für eine idiomatisierte Verbindung und würden es daher getrennt schreiben.

Beachte: Bei Superlativen und erweiterten Adjektiven ist nur Getrenntschreibung richtig:

  • mit dieser Aufgabe wird sie sich am schwersten tun
  • ich fürchte, dass es mir viel schwerer fällt

Peter Müller, SOK

«Innenleben» und Rechtschreibung

Unter der Leitung des Obmanns Dr. Erwin Leiggener fand im Restaurant La Poste die Jahresversammlung des Rottenbundes statt. Neben den Vereinstraktanden stand ein Vortrag des Philologen Stefan Stirnemann, St. Gallen, auf dem Programm.

Rottenbund-Vortrag. Referent Stefan Stirnemann (links) übergibt Rottenbund-Obmann Dr. Erwin Leiggener ein nach den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz gedrucktes Exemplar des renommierten «Schweizer Monats».

Rottenbund-Vortrag. Referent Stefan Stirnemann übergibt Rottenbund-Obmann Dr. Erwin Leiggener ein nach den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz gedrucktes Exemplar des renommierten «Schweizer Monats».

Das Vereinsjahr 2012 war durch die Aufnahme neuer Mitglieder und durch Vorträge gekennzeichnet. Es sprachen Hubert Theler, Lyriker und Dozent, und Dr. phil. Bernard Truffer, kantonaler wissenschaftlicher Berater des Historischen Lexikons der Schweiz (HLS). Beide bearbeiteten Themen, die für das Oberwallis wichtig sind: Theler die Verwendung unserer Mundart bei der Übersetzung des so bedeutenden Bibel-Textes und Dr. Truffer die Berücksichtigung des Wallis im wichtigsten Nachschlagewerk zur Geschichte und Biografie der Schweiz. Der traditionelle Kulturausflug des Rottenbundes musste abgesagt werden. Im Berichtsjahr erhielt der Rottenbund ein neues Logo. Es zeigt die 13 Bezirkssterne in Rot/Weiss in einem grossen Stern «Der Rottenbund» und «Für Sprache und Kultur». Unterstützt wurde der Schreibwettbewerb des Kollegiums Brig. Im neuen Vereinsjahr wird u. a. der Kulturausflug in neuer Organisationsform durchgeführt, und Obmann Leiggener erhofft sich markante Beteiligung. Ferner würdigte der Obmann die verschiedenen kulturellen Leistungen der Rottenbund-Mitglieder.

Rechtschreibreform und Staatsräson
Referent Stefan Stirnemann, profunder Kenner der Geschichte und des gegenwärtigen Standes der Rechtschreibreform, studierte Philologie in Basel mit einem Schwerpunkt auf der deutschen und lateinischen Schulgrammatik des 19. Jahrhunderts, war Mitarbeiter an einem grossen lateinischen Wörterbuch in München und arbeitet heute als Kantonsschullehrer. Neben vielfältiger publizistischer Tätigkeit ist er Mitglied der Arbeitsgruppe der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK). In letzterer Eigenschaft trat er vor dem Rottenbund auf und stellte in einem interaktiven Vortrag einer aufmerksamen und zunehmend betroffenen Hörerschaft die Vorgeschichte und Geschichte der Rechtschreibreform dar. Stirnemann zeigte, dass unüberlegte und schroffe Eingriffe z. B. in die Grossund Kleinschreibung und die Getrenntund Zusammenschreibung einen langwierigen Prozess in Gang brachten, der zu grosser Unsicherheit im Schulwesen und zu riesigen Ausgaben der Verlage führte. Immer neue Wörterbuch-Ausgaben widerriefen das, was ein Jahr vorher noch galt, bis im Jahr 2006 der Rat für Rechtschreibung kurzerhand althergebrachte und neudefinierte Schreibweisen als gültige Varianten erklärte. Heute soll also ein «wohlbekannter» Schriftsteller dasselbe sein wie ein «wohl bekannter» Schriftsteller. Gemäss Ministerin Johanna Wanka, die einst Präsidentin der deutschen Kultusministerkonferenz war, wissen die Kultusminister, dass diese Reform ein Fehler war, aus Staatsräson habe man sie nicht zurückgenommen. Heute ist Wanka Bundesministerin für Bildung und Forschung und somit Nachfolgerin der unglücklichen Annette Schavan, die ihr Amt aufgeben musste, weil ihr die Universität Düsseldorf wegen Betrugs den Doktortitel entzog. Seit wann, fragte Stirnemann, ist die Schweiz solchen Staatsvertretern und ihrer Staatsräson verpflichtet? Die Schweizer Orthographische Konferenz arbeitet seit mehreren Jahren daran, die zahllosen Fehler dieser Reform zu beheben. Es geht ihr dabei um Sprachrichtigkeit und Einheitlichkeit. Die «SOK-Empfehlungen» können über die Internetadresse www.sok.ch eingesehen werden. Sie finden auch in Deutschland zunehmend Beachtung, z. B. beim grossen ReclamVerlag. In der Schweiz folgen immer mehr Medien der SOK; als Beispiele brachte Stirnemann neue Hefte von «NZZ Folio» und «Schweizer Monat» nach Visp. Der ausserordentlich gut dokumentierte Vortrag Stefan Stirnemanns zeigte auf, dass die Lage besorgniserregend ist und nicht so bleiben kann. Ob es gelingen wird, bei Presse und Literatur und in der Schule Ordnung und Sprachrichtigkeit wiederherzustellen, wird sich zeigen. Zu wünschen wäre es!

Walliser Bote
Dienstag, 12. März 2013