Die SOK hat ihren Webauftritt erneuert

15. Dezember 2008

Rechtzeitig auf das neue Jahr 2009 hin hat die SOK ihren Webauftritt erneuert. Er enthält neu die letzten Empfehlungen der Konferenz: die Gross-/Klein- und Getrennt-/Zusammenschreibung der Tageszeiten (heute abend, am Dienstagmorgen/Dienstag morgen), die Gross-/Kleinschreibung von festen Redewendungen (im dunkeln/Dunkeln tappen), lateinischen Fügungen (Modus vivendi) und Verbindungen mit -mal (jedesmal), Einzelfälle der Gross-/Kleinschreibung (rechtens/Rechtens sein, hungers sterben), die Fragen des Bindestrichs beim Zusammentreffen von Ziffern und Buchstaben (19jährig) sowie des Konjunktivs bei Verben vom Typ schreien (wenn ich schriee). Zu diesen neuen Themen gibt es neue Wörterlisten, die bestehenden wurden stark erweitert.

Eine speziell für die Wörterlisten konzipierte Suchfunktion erleichtert das Auffinden der Wörter. Geänderte Einträge werden in einem Logbuch festgehalten. SOK-Mitglieder können Listen, die weitergehende Informationen enthalten, im bearbeitbaren Excel-Format herunterladen.

Aufgenommen wurden auf der Website zusätzliche Artikel zum Thema Rechtschreibung sowie ein Beratungsteil mit Fragen und Antworten.

Die Basis ist damit gelegt, dass weitere Zeitungen die SOK-Empfehlungen übernehmen können. Um dies zu erleichtern, ist die Arbeitsgruppe der SOK gerne bereit, bei internen Weiterbildungen mitzuhelfen. Sie hat das bei den bisherigen Umstellungen bereits erfolgreich getan und wird nächstes Jahr auch am MAZ Weiterbildungskurse anbieten.

selbständig/selbstständig

1. Dezember 2008

Seit einiger Zeit fällt mir auf, dass immer häufiger selbstständig statt selbständig geschrieben wird. So spricht doch kein Mensch! Nun liest man es sogar in schweizerischen Gesetzen. Des Rätsels Lösung habe ich im „Leitfaden zur deutschen Rechtschreibung“ der Bundeskanzlei gefunden. Dort wird gesagt, man schreibe beim Bund „im Sinne einer einheitlichen Einhaltung des Stammprinzips“ selbstständig. Wie ist die Haltung der SOK zu diesem „Problem“?

M. P.

 

Sehr geehrte Frau P.,

die Erklärung der Bundeskanzlei in ihrem Leitfaden leuchtet uns nicht ein. Erst sagt sie, die Reform habe neu selbstständig zugelassen, obwohl diese Herleitung nicht stimme, der Wortstamm sei selb-. Dann beruft sie sich im nächsten Abschnitt bei der Wahl von selbstständig auf ebendiesen „falschen“ Stamm; es gehe um die Einhaltung eines einheitlichen Stammprinzips!

selbstständig ist keine falsche Herleitung, sondern es gibt eben beide Stämme, selbst- und selb- (in selbdritt, selber, derselbe usw.). Damit gab es in Tat und Wahrheit auch schon immer beide Formen, selbständig und selbstständig. Es war falsch, dass die herkömmliche Rechtschreibung selbstständig ausgeschlossen hat (mit dem Hinweis, dass selbst auch mit dem Stamm selb- gebildet sei). Es ist aber nachvollziehbar, dass eine Hausorthographie wie diejenige der Bundeskanzlei sich auf eine Form beschränkt. Bloss die Auswahl ist fragwürdig. Wenn schon eine Beschränkung, dann auf selbständig, es ist das übliche Wort, es ist das ältere Wort, und es entspricht, wie Sie richtig erwähnen, der allgemein üblichen Aussprache. Dementsprechend empfiehlt die SOK selbständig. Auch der Rat für deutsche Rechtschreibung schreibt in seinem amtlichen Regelwerk ausschliesslich selbständig; es kommt dort nicht weniger als achtmal vor.

Auch die im Leitfaden ausgesprochene Erwartung, man spreche mit der Zeit evtl. zwei st, ist abwegig. Denn selbständig ist ganz einfach unendlich viel leichter zu sprechen (und auch zu schreiben) als selbstständig. Mindestens solange beide Schreibweisen anerkannt sind, wird sich selbstständig kaum als alleinige Form durchsetzen.

Prof. Theodor Ickler spricht beim Phänomen, dass sich bis 1996 fast jedermann sklavisch an die Vorschrift selbständig gehalten habe und nun plötzlich selbstständig bevorzuge, von „Putativ­gehorsam“ und „einem kuriosen Fall, der bei näherem Hinsehen tiefen Einblick in die deutsche Mentalität“ erlaube. Und in die schweizerische, möchte man hinzufügen… Er schliesst seinen Aufsatz: „Die Beflissenheit, mit der Menschen, die bisher nie selbstständig gesagt und geschrieben haben, dies nun im Gefolge der Reform tun zu müssen glauben, wirkt gerade deshalb so kleingeistig, weil sie nachträglich aufdeckt, in welch unsinniger Weise sie sich zuvor dem Fehlurteil der Wörterbuch­macher und Sprachpfleger unterworfen hatten. Nun taten sie so, als könnten sie sich endlich einen langgehegten Herzenswunsch erfüllen und ungerügt von Selbstständigkeit reden.“

Peter Müller, SOK

 

Der Aufsatz von Prof. Theodor Ickler ist hier zu finden, siehe auch hier.

ck bei der Worttrennung

19. November 2008

Ich freue mich, dass ich endlich einen Ansprechpartner gefunden habe, dem ich mein Anliegen vortragen kann; denn hier in Deutschland kann ich keinen ausfindig machen, der mich nicht mit nichtssagenden Worten abweist.

In der Zeitschrift des Deutschen Philologenverbands „Profil“, 10/2008, S. 33, lese ich, dass seitens der Schweizer Orthographischen Konferenz „reformierte Schreibweisen wie die Dreikonsonanten­regel […] sowie die ck– und st-Trennung nicht beanstandet“ werden.

Die Trennung eines st kann ich noch mitvollziehen, nicht aber die von ck in z. B. Zu-cker; denn es wäre m. E. sinnvoll gewesen, das ck zu ersetzen durch kk, dann wäre die ursprüngliche Trennung in k-k geblieben und wäre nicht jedes Mal zu überlegen, ob der Vokal als letzter Buchstabe der Zeile kurz gesprochen wird (weil vor dem ck in der nächsten Zeile) oder lang, weil kein Doppelkonsonant den folgenden Wortteil einleitet.

Dies als Anregung, und ich bitte Sie, sich auch für meinen Vorschlag stark zu machen und ihn den entscheidenden Gremien mit der Bitte vorzutragen, die „neue Rechtschreibung“ auch in diesem Punkt zu überdenken.

Über die Darlegung Ihrer Ansicht in dieser Sache würde ich mich freuen.

P. W.

 

Sehr geehrter Herr W.,

wir pflichten Ihnen durchaus bei, dass auch im Falle der ck-Trennung die herkömmliche Regel besser als die „reformierte“ sei. Wir beanstanden die neue Regel nur deshalb nicht, weil erstens eine Ablehnung aller neuen Regeln, d. h. eine amtliche Wiedereinführung der herkömmlichen Rechtschreibung, zurzeit offensichtlich nicht zu erreichen ist und weil wir zweitens die Frage der Silbentrennung nicht als gleich wichtig wie andere bewerten (von Linguisten wird sogar bezweifelt, dass die Silbentrennung überhaupt ein Thema der Rechtschreibung sei). Dennoch die folgenden Überlegungen:

Von den drei in Frage kommenden Trennungen k-k, c-k und -ck halten wir -ck für die schlechteste. Sie geht auf einen Vorschlag von Prof. Horst Haider Munske zurück, den er in „Orthographie als Sprachkultur“ (Peter-Lang-Verlag, Frankfurt/M., 1997) nochmals dargelegt hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits davon abgekommen war. Er fusst nämlich auf dem Irrtum, dass es sich bei ck um einen Digraphen wie ch handle oder doch um „etwas hinreichend Ähnliches“ (Prof. Theodor Ickler). Digraphen dürfen nicht getrennt werden.

In Tat und Wahrheit ist ck natürlich etwas ganz anderes, nämlich eine typographische Variante von kk. Kurze Vokale werden in der Regel durch die Verdoppelung des folgenden Konsonanten angezeigt (fallen, Mappe usw.). Bei k (und z) wird der Konsonant ausnahmsweise nicht verdoppelt, sondern zu ck (bzw. tz) verwandelt (Zucker, Katze)1. Das kk bei der Trennung k-k stellt also bloss die Ausgangssituation wieder her.

Eine – hier irrelevante – Analogie zwischen ck und ch gibt es allerdings: beides sind Sonder­graphien, was die Kennzeichnung des kurzen Vokals betrifft. ch wird (wie auch sch) zur Kennzeichnung des kurzen Vokals ausnahmsweise nicht verdoppelt. Damit will man eine unübersichtliche Ansammlung von Buchstaben vermeiden (machen, nicht *machchen). Diese Analogie rechtfertigt aber die scheinbare Gleichbehandlung bei der Trennung keineswegs. Denn würde man tatsächlich *machchen schreiben, würde man selbstverständlich auch hier zwischen den zwei Konsonanten (hier Digraphen) trennen: *mach-chen. Und würde man das durch die Verdoppelung entstehende Buchstabenpaar als nicht trennbaren Digraphen bezeichnen, müsste man auch *fa-llen, *Ma-ppe trennen.

Eine relevante Analogie hingegen besteht zu Fremdwörtern, in denen kk und zz nicht zu ck und tz verändert werden: Mokka, Sakko; Pizza, Razzia, Skizze usw. Diese werden selbstverständlich zwischen den Konsonanten getrennt: Mok-ka, Sak-ko; Piz-za, Raz-zia, Skiz-ze.

Die Trennung -ck unter Hinweis auf ch2, also auf eine scheinbare, d. h. falsche oder zumindest irrelevante Analogie, hat damit die Qualität der von der Reform eingeführten volksetymologischen Herleitungen wie nummerieren, platzieren, Quäntchen, einbläuen usw. Gegen die Trennung -ck spricht ausserdem, dass der Leser am Zeilenende irregeführt wird: Er erwartet beim Lesen von Zu- einen langen Vokal und muss dann gedanklich umstellen, wenn er auf der nächsten Zeile cker liest. Ausserdem steht mit ck eine Buchstabenverbindung am Zeilenanfang, die nicht auch an einem Wortanfang stehen kann.

Gegen die an sich naheliegende Trennung c-k (Zuc-ker) spricht, dass der Leser damit am Zeilenende erst recht irregeführt würde, weil c im Deutschen als einzelner Buchstabe nicht vorkommt und er das c zunächst als ts liest. (Bei t-z gibt es diese Gefahr nicht, eine Wieder­herstellung der Ausgangssituation mit einer Trennung z-z ist deshalb nicht notwendig.)

Daraus folgt, dass die Trennung Zuk-ker die beste, wenn nicht sogar die einzig richtige ist. Gegen sie wird angeführt, das vertraute Schriftbild werde damit verändert und es sei linguistisches Wissen nötig, um sie zu verstehen. Das hat eine gewisse Berechtigung. Diese Nachteile wiegen jedoch wesentlich leichter als diejenigen der Trennungen Zu-cker und Zuc-ker. Mit der k-k-Trennung hat ausserdem kaum jemand Probleme, auch der nicht, der die linguistischen Gründe dafür nicht kennt. Auch die Silbentrennprogramme beherrschen sie problemlos. Die SOK schliesst nicht aus, sich zu einem späteren Zeitpunkt für die Wiedereinführung dieser Trennung einzusetzen.

Peter Müller, SOK

1    Zu den Gründen für die Entstehung dieser Ausnahmen gibt es verschiedene Theorien. Johann Jacob Wippel (1759–1765) vermutet den Grund darin, dass „ck und tz bequemer im Schreiben“ sei. Karl Ferdinand Becker (1775–1849)  schreibt in seiner „Ausführlichen deutschen Grammatik“ (1836): „Der Gebrauch des ck statt kk ist uralt. Im Alt- und Mittelhochdeutschen wird häufig im Auslaute c statt k, und besonders im Mittelhochdeutschen ck statt kk geschrieben, z. B. Schalc, Folc, starc, Sac, Sackes, Blic, Blickes, Druc, Druckes: der Gebrauch des tz statt zz kommt schon im Alt- und Mittelhochdeutschen vor und findet eine Erklärung darin, daß der Zischlaut z ursprünglich aus der Tenuis t hervorgegangen ist.“ Eine (von den heutigen, aber auch von früheren Reformern durchaus erwogene) Eliminierung dieser Ausnahmen durch die Einführung der Schreibweisen *Zukker, *Kazze (wie in den Fremdwörtern Mokka, Pizza) muss verständlicherweise am Widerstand gegen die Änderung gewohnter Schriftbilder scheitern.

2     § 111 des amtlichen Regelwerks: „Stehen Buchstabenverbindungen wie ch, sch; ph, rh, sh oder th für einen Konsonanten, so trennt man sie nicht. Dasselbe gilt für ck.“
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englische Fügungen (Fortsetzung)

23. Oktober 2008

Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!

Zu einem Punkt habe ich noch eine Frage: Sie empfehlen mir die Schreibweise Key Feature, analog zu Key Account. Ist diese Schreibweise darauf zurückzuführen, dass der Duden Key-Account-Management schreibt oder auf Ihre Aussage, dass die Tendenz zur Integration englischer Fremdwörter im Deutschen rückläufig sei? (In den Wörterlisten [auf www.sok.ch] konnte ich Key Account nirgends finden.) Ich frage mich nämlich, wieso der Duden eigens eine integrierende Schreibweise für Fügungen des Typs Substantiv + Substantiv vorsieht, wo die Tendenz anscheinend auf eine nicht integrierte Schreibweise hinausläuft. Kann man also mit dem Argument „Grad der Integration“ bei Einzelfällen auf die alte „herkömmliche“ Rechtschreibung vor 06 pochen?

N. H.

 

Sehr geehrte Frau H.,

wir empfehlen die Schreibweise Key Feature, weil dies eine (noch) wenig gebräuchliche Fügung ist (deswegen ist sie ja auch im Duden nicht aufgeführt, auch nicht im Fremdwörterbuch). Neu auftauchende Fügungen schreibt man normalerweise zunächst in der Schreibweise der Ausgangssprache. Erst wenn die Fügung häufig gebraucht wird, kommen vermehrt integrierte Schreibweisen vor. Der Hinweis auf Key Account sollte nur besagen, dass wir beide Fälle gleich behandeln werden. Key Account ist wie Key Feature noch nicht in den publizierten Wörterlisten der SOK enthalten.

Der Duden-Eintrag Key-Account-Management lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob Duden sich für Key Account oder Key-Account entscheiden würde; lediglich die Schreibweise Keyaccount kann, was Duden betrifft, damit ausgeschlossen werden.

Die Aussage, die Tendenz zur Integration englischer Fremdwörter im Deutschen sei rückläufig, bezog sich hauptsächlich auf neu auftauchende englische Fügungen. Daneben gibt es natürlich schon länger im Deutschen gebräuchliche Fügungen, bei denen sich die eindeutschende Schreibweise zu festigen beginnt oder sich bereits gefestigt hat. Deshalb ist es durchaus richtig, dass Duden auch (Aircondition usw.) oder in manchen Fällen sogar ausschliesslich (Airbag, Powerplay, Weekend usw.) integrierte Schreibweisen vorsieht.

Ein Indiz für diese Tendenz liefert vielleicht auch der Umstand, dass Duden in zahlreichen Fällen – und im Gegensatz zur ausschliesslich eingedeutschten Schreibweise in der herkömmlichen Rechtschreibung – auch die nichtintegrierte Schreibweise als Variante aufführt, z. B. Desktop-Publishing, Mountain-Bike; Long Drink; Buy-out, Count-down, Feed-back, Knock-out, Play-back usw. Grund dafür könnte aber auch sein, dass Duden eine durchgängige Regel anstrebt. Darauf weisen z. B. die neu aufgenommenen Schreibweisen Come-back und Lay-out hin, die heute in integrierter Schreibweise vermutlich viel häufiger sind. Allerdings hätte man dann beispielsweise auch die Varianten Cash-Flow (statt nur Cashflow) und vor allem das in der Schweiz ohnehin ausschliesslich gebräuchliche Tea-Room (statt nur Tearoom) erwartet.

Um den „Grad der Integration“, den Usus, im Einzelfall festzustellen, wären Proben möglichst grosser Korpora von Qualitätstexten nötig. Wir nehmen zugunsten der herkömmlichen Rechtschreibung vor 1996 an, dass dies ihre Vorgehensweise bei der Festlegung der Schreibweisen war, während die Regelung 06 grössere Regelhaftigkeit ohne Rücksicht auf den Usus anstrebt. Die herkömmliche Rechtschreibung dürfte damit den Usus besser beschreiben als die Regelung 06.

Allerdings verändert sich der Usus, er wird ausserdem seit der Regelung 96 von dieser und ihren Nachfolgerinnen beeinflusst, und er ist, besonders im vorliegenden Bereich, regional und auch je nach Branche unterschiedlich. Ausserdem sind die Schreibweisen sogar in der Ausgangssprache Englisch nicht in allen Fällen gefestigt.

Daraus ergibt sich: Man sollte bei der Korrektur von Schreibweisen in diesem Bereich tolerant handeln. Wir würden beispielsweise weder Key Account noch Key-Account noch Keyaccount als falsch bezeichnen.

Anders ist es natürlich in Haus- oder Branchenorthographien; dort besteht das Bedürfnis, aus Gründen der Einheitlichkeit die Schreibweisen festzulegen. Dies tut die SOK im Falle der von ihr empfohlenen Orthographie für die grafische Branche in der beschriebenen Weise.

Peter Müller, SOK