gross schreiben/zusammenschreiben

12. Oktober 2008

Wie stellt sich die SOK eigentlich zu gross / klein / getrennt schreiben bzw. gross- / klein- / getrenntschreiben? Es liegt ja semantisch nicht genau dasselbe vor wie bei krankschreiben, kleinschneiden usw., wo faktitive Bedeutung herrscht. So könnte mir persönlich Getrenntschreibung (nur im Verbum natürlich) durchaus einleuchten. Daneben könnte man so erst noch das Grossschreiben in der Bedeutung von „etwas für wichtig nehmen“ durch Zusammenschreiben vom orthographischen Gross-Schreiben unterscheiden. Aber vielleicht ist das alles ja allzu Spitz findig.

R. W.

 

Sehr geehrter Herr W.,

die Frage der Schreibweise von gross / klein / getrennt / zusammen schreiben illustriert das Problem der Beurteilung von wörtlicher Bedeutung / neuer Gesamtbedeutung in der Zusammen-/Getrennt­schreibung, aber auch anderer Fragen wie Rückbildung aus Substantiven und Betonung.

Die herkömmliche Rechtschreibung versteht „mit grossem/kleinem Anfangsbuchstaben schreiben“ als wörtliche Bedeutung (also Getrenntschreibung), „hochschätzen/geringschätzen“ als neue Gesamt­bedeutung (also Zusammenschreibung):

Dieses Wort wird einmal klein, einmal gross geschrieben; aber:
Toleranz wird bei ihm grossgeschrieben
Demokratie wird in diesem Betrieb kleingeschrieben

Bei getrennt schreiben ergibt sich kein möglicher Bedeutungsunterschied. Da herkömmlich hier getrennt geschrieben wird, kann angenommen werden, Getrenntschreibung sei für diese Reihe in der herkömmlichen Rechtschreibung die normale Schreibung.

Bei zusammenschreiben / zusammen schreiben ergibt sich ein Bedeutungsunterschied, der ausserdem von der Betonung gestützt wird:

die beiden Wörter werden zusammengeschrieben; aber:
sie haben dieses Buch zusammen geschrieben

In der herkömmlichen Rechtschreibung werden, wenn das Schreiben gemeint ist, gross / klein / getrennt schreiben also getrennt geschrieben, zusammenschreiben aber wird zusammengeschrie­ben. Das ist zwar gut begründet, aber für Schüler ist es nicht ganz leicht, sich die Reihe zu merken. Wenigstens richtet sich die Schreibweise der Verbindungen mit dem Partizip II immer nach derjenigen der Verbindungen mit dem Infinitiv (gross schreiben, also gross geschrieben, zusammenschreiben, also zusammengeschrieben).

Die Regelung 06 versteht „mit grossem/kleinem Anfangsbuchstaben schreiben“ umgekehrt als neue Gesamtbedeutung (also Zusammenschreibung), im Gegensatz zur wörtlichen Bedeutung „mit grossen/kleinen Buchstaben schreiben“. Diese Unterscheidung leuchtet weit weniger ein als die von der herkömmlichen Rechtschreibung angestellte. Anders kann die Zusammenschreibung aus den revidierten Regeln § 34 aber nicht abgeleitet werden. In früheren Versionen wurde die Zusammen­schreibung mit Rückbildung aus Substantiven (Gross-/Kleinschreibung) begründet. Die Reihe wird damit für Schüler vollends undurchsichtig. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht darin, dass sich die Schreibweise der Verbindungen mit dem Partizip II nicht nach derjenigen der Verbindungen mit dem Infinitiv richtet, sondern dass dort jeweils beide Schreibweisen gültig sind. Das amtliche Wörterverzeichnis weist dazu bei gross/klein/getrennt jeweils auf § 36 (2.1) hin: „(2) Zusammen- wie auch getrennt geschrieben werden kann, wenn der entsprechende Ausdruck sowohl als Zusammensetzung als auch als syntaktische Fügung angesehen werden kann. Dies betrifft (2.1) Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Verben, Adverbien oder Partikeln mit adjektivisch gebrauchten Partizipien.“

zusammenschreiben ist im amtlichen Wörterverzeichnis und auch im amtlichen Regelwerk dagegen gar nicht aufgeführt. Duden und Wahrig verzeichnen, auch beim Partizip, für „mit grossen Anfangsbuchstaben schreiben“ nur Zusammenschreibung, um den Bedeutungsunterschied zu zusammen schreiben wie in der herkömmlichen Rechtschreibung sichtbar zu machen.

Als Vorteil der Regelung 06 könnte man anführen, dass grossschreiben/kleinschreiben (wie auch Dudens/Wahrigs zusammenschreiben) der Betonung entspreche. Das hilft Schülern als Faustregel aber auch nicht weiter, weil dann getrennt schreiben als Ausnahme übrigbleibt.

Die SOK empfiehlt aus diesen Gründen, der Regelung 06 hier nicht zu folgen, sondern die herkömmliche Rechtschreibung zu verwenden.
 

Übersicht („schreiben“ in wörtlicher Bedeutung):

  herkömmlich Regelung 06
gross+schreiben gross schreiben grossschreiben
gross+geschrieben~ (attr.) gross geschrieben~ grossgeschrieben~ / gross geschrieben~*
gross+geschrieben (präd.) gross geschrieben grossgeschrieben / gross geschrieben*
     
klein+schreiben klein schreiben kleinschreiben
klein+geschrieben~ (attr.) klein geschrieben~ kleingeschrieben~ / klein geschrieben~*
klein+geschrieben (präd.) klein geschrieben kleingeschrieben / klein geschrieben*
     
getrennt+schreiben getrennt schreiben getrennt schreiben
getrennt+geschrieben~ (attr.) getrennt geschrieben~ getrennt geschrieben~ / getrenntgeschrieben~*
getrennt+geschrieben (präd.) getrennt geschrieben getrennt geschrieben / getrenntgeschrieben*
     
zusammen+schreiben zusammenschreiben zusammenschreiben**
zusammen+geschrieben~ (attr.) zusammengeschrieben~ zusammengeschrieben~**
zusammen+geschrieben (präd.) zusammengeschrieben zusammen geschrieben**


* Mit Verweis auf § 36 (2.1) wird bei gross/klein auch Getrennt-, bei getrennt auch Zusammenschreibung erlaubt: „(2) Zusammen- wie auch getrennt geschrieben werden kann, wenn der entsprechende Ausdruck sowohl als Zusammensetzung als auch als syntaktische Fügung angesehen werden kann. Dies betrifft (2.1) Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Verben, Adverbien oder Partikeln mit adjektivisch gebrauchten Partizipien.“

** In amtlichem Wörterverzeichnis und Regelwerk nicht aufgeführt; Duden/Wahrig verzeichnen für die Bedeutung „mit grossen Anfangsbuchstaben schreiben“ nur Zusammenschreibung.

Peter Müller, SOK

englische Fügungen

10. Oktober 2008

Ich bin Studentin an der Übersetzer- und Dolmetscherschule in Genf und habe zwei Fragen zur Rechtschreibung englischer Fügungen.

Wenn ich richtig verstehe, wird in der neuen deutschen Rechtschreibung bei englischen Fügungen insbesondere zwischen Zusammensetzungen des Typs Substantiv + Substantiv und Adjektiv + Substantiv unterschieden. Wie steht es aber mit Zusammensetzungen des Typs Adjektiv + Partizip, also beispielsweise SWISS MADE? Welche der folgenden Schreibweisen ist richtig und weshalb: Swissmade, Swiss-made oder Swiss Made?

Die zweite Frage: Wenn man die englische Fügung key feature ins Deutsche übernehmen will, interpretiert man dann key als Substantiv und schreibt folglich Keyfeature oder schreibt man Key Feature, weil key im Englischen in dieser Fügung die Rolle eines Adjektivs hat und die Zusammensetzung key feature daher in die Kategorie Adjektiv + Substantiv fällt?

Ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen oder mich an jemanden verweisen. Für eine rasche Antwort bin ich Ihnen sehr dankbar.

N. H.

 

Sehr geehrte Frau H.,

die englischen Fügungen sind möglicherweise der einzige Bereich der Rechtschreibung, in dem die sogenannte Rechtschreibreform (Regelung 06 bzw. Duden 24. Aufl.) konsistentere Schreibweisen vorschlägt. So verzeichnet beispielsweise die herkömmliche Rechtschreibung Beauty-case, Beauty-Center, Beautyfarm, die Regelung 06 hingegen konsequent die Varianten Beautycase/Beauty-Case, Beautycenter/Beauty-Center, Beautyfarm/Beauty-Farm.

In der Regelung 06 werden die Substantive in Fügungen vom Typ Substantiv + Substantiv in der nicht zusammengeschriebenen Variante konsequent immer gross geschrieben (Cash-Flow, Coffee-Shop), während in der herkömmlichen das zweite Substantiv manchmal gross, manchmal klein geschrieben wird (Cash-flow, Coffee-Shop). Fügungen vom Typ Adjektiv + Substantiv sind nach Regelung 06 in der nicht zusammengeschriebenen Variante konsequent getrennt zu schreiben, das Substantiv gross (Happy End, Mixed Grill), während in der herkömmlichen Rechtschreibung auch die Schreibweisen mit Bindestrich (Happy-End) und mit klein geschriebenem Substantiv vorkommen (Mixed grill).

Diese Vereinfachungen in der Regelung 06 sind der Grund, weshalb die SOK im Falle der englischen Fügungen ausnahmsweise empfiehlt, bei mehreren Varianten grundsätzlich die von Duden empfohlene zu verwenden.

In beiden Rechtschreibvarianten hängt die Schreibweise vom Grad der Integration ab: bei Fügungen vom Typ Substantiv + Substantiv geht sie von der im Englischen normalerweise getrennten Schreibweise (Yankee Doodle) über die Schreibweise mit Bindestrich (Strike-Unit) bis zur Zusammenschreibung (Weekend), auch in Fügungen vom Typ Adjektiv + Substantiv (Fastfood). Selbstverständlich sollten Zusammensetzungen, die auch im Englischen nur zusammengeschrieben werden (Sideboard, Mainstream), nur so auch im Deutschen geschrieben werden.

Der Grad der Integration wird in den beiden Rechtschreibvarianten oft unterschiedlich angenommen (herkömmlich: Jam Session, Regelung 06: Jam-Session/Jamsession). Die Tendenz zur Integration englischer Fremdwörter ist aufgrund der zunehmenden Verbreitung des Englischen und der zunehmenden Englischkenntnisse der Deutschsprachigen rückläufig.

Manchmal ist es nicht eindeutig, ob das erste Glied der Fügung als Substantiv oder als Adjektiv zu verstehen ist (Rush-Hour, Callcenter). Im Zweifel sollten solche Fügungen als Typ Substantiv + Substantiv behandelt werden. In dem von Ihnen genannten Beispiel liegt unseres Erachtens ohnehin eindeutig eine Fügung Substantiv + Substantiv vor. In Frage kommen damit, je nach angenommenem Integrationsgrad, die Schreibweisen Key Feature/Key-Feature/Keyfeature. Wir empfehlen, wie bei Key Account, die nicht integrierte Schreibweise Key Feature und werden das so in unsere Listen aufnehmen.

Neben den Fügungen der Typen Substantiv + Substantiv sowie Adjektiv + Substantiv gibt es weitere, die im Deutschen gebräuchlich sind. Häufig sind insbesondere Verb + Partikel (Stand-by, Show-down, Sit-in usw.). Duden verzeichnet hier meist zwei Varianten, eine mit Bindestrich und eine zusammengeschriebene (Take-off/Takeoff) und lässt sich bei den Empfehlungen vom Usus und der Übersichtlichkeit der Fügung leiten (Time-out, aber Stopover).

Für eine Fügung vom Typ Adjektiv/Adverb + Partizip empfehlen wir die englische Schreibweise, klein und getrennt: Ich möchte das Filet well done. Das Partizip made würde man ja auch am Anfang einer Fügung klein schreiben: made in Switzerland, erst recht also in deren Innern. Selbstverständlich ist dabei Swiss in dem von Ihnen genannten Beispiel wie im Englischen gross zu schreiben: Swiss made.

Zusammenfassend: Wir empfehlen Key Feature und Swiss made.

Peter Müller, SOK

Zäheit und Stop

21. September 2008

Grundsätzlich begrüsse ich die Empfehlungen der SOK sehr. Gar nicht einverstanden bin ich jedoch mit folgenden Regelungen:

Die Empfehlungen zu Ableitungen von Personennamen und geographischen Ableitungen sind unklar und verwirrlich. Die alte Regelung war logisch klar und sinnvoll.

Die nachstehend zitierten Empfehlungen lehne ich ab.

„Die SOK empfiehlt ferner, die Schreibweisen Jäheit (nicht: Jähheit), Roheit (nicht: Rohheit) und Zäheit (nicht: Zähheit) zu verwenden (und, trotz der empfohlenen Schreibweise rauh, selbstverständlich auch weiterhin Rauheit zu schreiben). Hoheit wird auch nach neuer Rechtschreibung mit nur einem h geschrieben.

Die SOK empfiehlt überdies, die Schreibweisen As, Mop (nicht: Mopp), Step[tanz] (nicht: Stepp[tanz]) und Tip (nicht: Tipp) zu verwenden. Die SOK empfiehlt entsprechend diesen letzteren Beispielen auch die Schreibweise Stop.

Begründung:

  1. Diese Regelungen werden offenbar nur durch die SDA mitgetragen. Durchsetzen werden sich auf die Dauer jedoch höchstens diejenigen, die von anderen (NZZ, FAZ usw.) auch befürwortet und verwendet werden.
  2. Wenn jetzt sogar drei gleiche Konsonanten aufeinanderfolgen können (Brennnessel usw.), dann ist nicht einzusehen, warum Abstrakta, die aus Adjektiven mit -heit abgeleitet werden, nicht den Wortbildungselementen gemäss erlernt und geschrieben werden sollen. Allerdings wäre dann auch Hohheit zu schreiben.
  3. Lehnwörter aus dem Englischen, die längst eingebürgert sind wie Stopp, Tipp usw. sollten Doppelkonsonanz enthalten wie die davon abgeleiteten Verben: stoppen, tippen. (Tipptopp hat man schon immer so geschrieben.) Das entspricht der Schreibung niederdeutscher Wörter, und zwar auch solcher, die ins Hochdeutsche (meist durch die Luther-Bibel) eingegangen sind. Darunter befinden sich alte deutsche Wörter, die gleich lauten und den gleichen Ursprung haben wie die englischen Lehnwörter (Tipp, Stepparbeit und andere mehr). Ausserdem erleichtert die Schreibung mit Doppelkonsonanz dem Schüler das Erlernen der richtigen Schreibung von Substantiv und Verb.

H. T.

 

Sehr geehrter Herr T.,

wir freuen uns darüber, dass Sie die SOK-Empfehlungen grundsätzlich begrüssen. Ihre Kritik an den beiden Empfehlungen zu Zusammensetzungen von Wörtern auf -h mit -heit und zur Integration englischer Fremdwörter auf -p können wir gut nachvollziehen. Wir führten auch in der SOK-Arbeitsgruppe darüber längere Diskussionen. Schliesslich haben aber die folgenden Überlegungen den Ausschlag für die Empfehlungen gegeben:

Zusammensetzungen von Wörtern auf –h mit heit

Sie weisen mit Recht darauf hin, dass man angesichts der Dreifachkonsonantenregelung auch die Regelung akzeptieren könnte, bei den Zusammensetzungen von Wörtern auf -h mit -heit alle Buchstaben an der Nahtstelle der Komposition beizubehalten. Bei unserer Empfehlung spielte eine Rolle, dass wir eigentlich auch die Neuregelung der Dreifachkonsonanten problematisch finden. Gegen sie spricht folgendes (Quelle: Prof. Theodor Ickler, Universität Erlangen):

Die Erhaltung von drei gleichen Buchstaben an der Nahtstelle von Zusammen­setzungen (helllicht, Brennnessel, Schifffahrt) greift auf alte Schreibgewohnheiten zurück, von denen man im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich abgekommen war.

Jacob Grimm rechnete das Schreiben von drei gleichen Buchstaben, wo nur einer hörbar ist, zum Pedantischen der deutschen Sprache. Übrigens wäre die Verein­fachung in du reist (statt reisst), du musst (statt mussst), aber vor allem in Dritteil (statt Drittteil), dennoch (statt dennnoch), Mittag (statt Mitttag) nach derselben Logik zu beanstanden, nach der alle Buchstaben in der Komposition beizubehalten sind.

Zu den ersten Ausdrücken, bei denen aus ästhetischen oder lesepsychologischen Erwägungen die Vereinfachung durchgeführt wurde, zählten Brennessel und Schiffahrt, weil sich hier eine selbständige Bedeutung eingestellt habe. Konrad Duden empfahl die Ausdehnung auf Bettuch und andere Wörter, worauf schliesslich die Regel entstand: drei gleiche Buchstaben, wenn der Gruppe ein Konsonant folgt (Sauerstoffflasche), zwei, wenn ihr ein Vokal folgt (Schiffahrt).

Die Rechtschreibreformer empfehlen den Bindestrich zur gefälligen Entzerrung der gerade erst eingeführten Dreifachbuchstabenregel; noch im Duden von 2004 steht: Eisschnelllauf, auch Eisschnell-Lauf. Unangenehmerweise sitzt der Bindestrich gerade an einer Stelle, an der nicht die primären Konstituenten des Kompositums zusammenstossen. Der Duden gibt zwar noch Schiff-Fahrt an, traut sich aber nicht, die weiteren Zusammensetzungen ebenso zu gliedern, also Schiff-Fahrtsrecht, Grossschiff-Fahrtsweg usw. Der Kalamität wäre nur durch noch mehr Bindestriche (Durchkupplung) zu entgehen (Gross-Schiff-Fahrts-Weg), womit aber gleich eine neue entstünde.

Es sei noch erwähnt, dass Mehrfachanschlagen derselben Taste ergonomisch ungünstig ist, da anders als beim Klavier kein Fingerwechsel möglich ist.

Diese Einwände gelten sinngemäss auch für die Zusammensetzungen von Wörtern auf -h mit -heit. (Ohnehin gibt es in der Regelung 06, wie Sie ebenfalls erwähnen, mit Hoheit die immer mit einem h zu schreibende Ausnahme, die die Regel eigentlich ad absurdum führt.) Wenn man hier empfiehlt, die Regelung 06 nicht zu beachten, hätte man das folglich erst recht bei der Dreifachkonsonanten­regelung tun können. Trotzdem haben wir entschieden, die Dreifachkonsonantenregelung zu akzeptieren.

Integration englischer Fremdwörter auf p

(Quelle: Prof. Theodor Ickler, Universität Erlangen)

Die Integration englischer Fremdwörter ist heute kaum noch üblich. Sie ist überdies äusserst unsystematisch durchgeführt. Geplant waren: Bopp (statt Bob!), fitt, Flopp, Frittfliege, Hitt, Mopp, Pepp, Popp, Sett, Stepp, Stopp, Stripp, Tipp, Topp. Davon sind übriggeblieben: Mopp, Stepp, Stopp und Tipp. Das beweist, wie prinzipienlos die Neuregelung auch auf diesem Gebiet ist – ein Zufallsprodukt, von dem man ebensogut wieder Abstand nehmen könnte.

Die Neuregelung führt zu so problematischen Einträgen wie „Tipp – engl. Bez. für Trinkgeld“ (Duden Universalwörterbuch) oder Onestepp/Twostepp (Duden Bd. 1, wobei das amtliche Verzeichnis 1996 noch Onestep, aber Twostepp aufführte). Stop ist international gebräuchlich und kann täglich auf den Strassenschildern gelesen werden, es gibt keinen Grund, es weiter einzudeutschen. Der Mop bot Schülern gewiss keine relevanten Schwierigkeiten, zumal der Staubbesen im Zeitalter der Staubsauger kaum noch gebräuchlich ist.

Tip, Step, Stop usw. muss auch nicht den abgeleiteten Verben tippen, steppen, stoppen angeglichen werden. Die Schreibweise mit einem -p oder -t im Singular-Nomen und zwei bei Ableitungen entspricht der englischen Schreibweise: Step/stepping, Set/Setter usw. Pop, Rap und Top z. B. werden auch in der Regelung 06 nicht angeglichen: Pop/poppig, Rap/Rapper, Top/toppen.

Sie vermuten, dass diese Regelungen „nur“ von der SDA mitgetragen werden. Wir weisen darauf hin, dass immerhin die Konferenz der Chefredaktoren sowie der Verband Schweizer Presse ihren Mitgliedern kürzlich formell empfohlen haben, die SOK-Vorschläge umzusetzen. Es wurden keine Ausnahmen genannt. Natürlich wird es entscheidend sein, ob die Deutschschweizer Zeitungen der Empfehlung in genügender Zahl folgen werden.

Wenigstens teilweise verstehen wir auch Ihre Kritik an den Ableitungen von Personennamen und geographischen Ableitungen. Falls Sie damit sagen wollten, dass bei den Ableitungen von Personennamen die „alte“ Regelung mit der Unterscheidung ohmscher Widerstand / Ohmsches Gesetz „logisch klar und sinnvoll“ war, sind wir mit Ihnen zwar einverstanden. Wir sind hier aber – wie in anderen Fällen, wo dies möglich war – der Regelung der NZZ gefolgt, die mit einigem Recht argumentiert, die Unterscheidung zwischen „Person als Schöpfer bzw. Verur­sacher“ und „nach der Person benannt“ sei nicht in allen Fällen klar, und die immerhin auf das überflüssige Apostroph verzichtet. Nötig wäre die Neuregelung aber auch aus unserer Sicht nicht gewesen. Und man kann es als Nachteil sehen, dass diese SOK-Empfehlung ausnahmsweise weder der herkömmlichen noch der Regelung 06 entspricht. Die Ableitung von geographischen Namen anderseits entspricht der herkömmlichen Regelung. Vielleicht hat zur Verwirrung beigetragen, dass orthographische Fragen mit Variantenschreibungen vermischt waren. Wir werden das in der neuen Version auseinander­halten.

Peter Müller, SOK

Eszett – Adelung gegen Heyse

21. September 2008

Was das ß betrifft, so habe ich mich an die Neuregelung angeschlossen, weil der wesentliche Vorzug des ß darin besteht, lange und kurze Vokale auseinanderzuhalten. Es würde für viele Schreiber nicht immer leicht sein, den Silbenauslaut als solchen zu erkennen und dort auch nach kurzem Vokal ß zu verwenden. Die alte Regelung hatte allerdings noch den zusätzlichen Vorteil, dass die Dreifachschreibung von sss zu vermeiden war (z. B. in Fassspund, Bassstimme). Ich habe erst etwa im Alter von 36 Jahren nach der Anschaffung einer elektronischen Schreibmaschine begonnen, ß zu schreiben, und zwar wegen der Missverständnisse, die es mit deutschen Verlagen gab, wenn diese mein schweizerisches ss inkonsequent durch ß ersetzten. Außerdem hielt ich es für notwendig, in wissenschaftlichen Arbeiten ältere Texte buchstabengetreu zu zitieren. Schließlich habe ich das ß auch in meine Handschrift übernommen.

Persönlich wäre ich gerne bei der Adelungschen Regelung geblieben, habe mich aber auf die Heysesche Regel umgestellt. Es schien mir, sie sei als Faustregel trotz Ausnahmen leichter zu handhaben; doch störten mich die Fälle von Dreifach-s. Als Grund mag auch mitgespielt haben, dass mein Computer immer alles rot unterstreicht, was nicht der Regelung von 2006 entspricht. An der schweizerischen Regel habe ich in der Zeit, als ich noch Gymnasiallehrer war und sie natürlich beachten musste, immer Anstoß genommen, weil sie die Unsicherheit in der Unterscheidung von kurzen und langen Vokalen förderte und weil die unterschiedliche Schreibung von Eigennamen nicht beachtet wurde (Beispiel: Johann Strauß, Richard Strauss).

H. T.


Sehr geehrter Herr T.,

damit Ihr Computer nicht immer alles rot unterstreicht, was nicht der Regelung von 2006 entspricht, empfehlen wir Ihnen, die Rechtschreibprüfung auf herkömmliche Rechtschreibung umzustellen. Bei Word 2007 wählen Sie dazu Office-Schaltfläche > Word-Optionen > Dokumentprüfung: Häkchen bei „Deutsch: Neue Rechtschreibung verwenden“ entfernen. Bei Word 2000: Extras > Optionen > Rechtschreibung und Grammatik: Häkchen bei „Neue deutsche Rechtschreibung“ entfernen. Bei OpenOffice.org Writer: Extras > Optionen > Spracheinstellungen > Linguistik > Optionen: Häkchen bei „Alte deutsche Rechtschreibung“ setzen.

Ich habe das ß in der (schweizerischen) Schule gelernt. Wir wurden allerdings nicht mit der korrekten Regel unterwiesen „ß, wenn ss nicht getrennt werden kann oder darf“, sondern mit „ß immer zur Bezeichnung des stimmlosen s-Lautes im Auslaut, im Inlaut nur nach langem Selbstlaut und Zwielaut, auch vor t (Georg Gubler)“. Das führt u. a. dazu, daß bei der Auflösung von ß in ss (wenn ß nicht verfügbar ist), reis-sen getrennt wird. Ich war anfangs der gleichen Meinung wie Sie, die Heysesche Regel sei einfacher und erlaube es, lange und kurze Vokale auseinanderzuhalten. Ich mußte dann aber nach und nach gegenteilige Argumente zur Kenntnis nehmen, die mich schließlich zum Umdenken bewogen. Heute ist für mich klar, daß die Adelungsche Regel der Heyseschen (die übrigens in Österreich 1879 bis 1902 schon einmal galt und sich nicht durchsetzte) weit überlegen ist; aus folgenden Gründen:

  1. Die (verkürzte) Regel „nach langem Vokal ß“ ist häufig gar nicht anwendbar (Quelle: Inge Müncher, SOK):
    1. Ausnahme: aus
    2. Die vollständige Regel lautet: Für das scharfe (stimmlose) [s] nach langem Vokal oder Diphthong schreibt man ß, wenn im Wortstamm kein weiterer Konsonant folgt. Folgt nach langem, betontem Vokal oder Diphthong und stimmlosem s-Laut ein Konsonant (t oder p), schreibt man deshalb s und nicht ß: Schuster, Trost, trösten, Wüste, Meister, meist, räuspern.
    3. Aus dem gleichen Grund ebenfalls s und nicht ß bei stimmhaftem s-Laut im Wortinnern: leise, riesig, tausend, Nase, Pause, Musik, Person, Rose, Lösung, Felsen, rasen, losen, reisen.
    4. s und nicht ß schreibt man auch nach langem, betontem Vokal oder Diphthong am Wortende, wenn der s-Laut im Plural oder in den übrigen Formen stimmhaft ist (§ 23 amtliche Regelung): Gräser – Gras, Lose – Los, blasen – er blies, Häuser – Haus, Mäuse – Maus, Preise – Preis, Ausweise – Ausweis, weisen – er wies.
  2. Auch die von 1. abgeleitete (Faust-)Regel „nach kurzem Vokal ss“ ist häufig gar nicht anwendbar (Quelle: Inge Müncher, SOK):
    1. Folgt nach kurzem, betontem Vokal und stimmlosem s-Laut ein Konsonant (t, p oder k), dann schreibt man s und nicht ss: Küste, Last, Muster, rostig, ist (sein), er knuspert, Wespe, Kasper,
      Maske, Muskel.
    2. s und nicht ss schreibt man auch, wenn nach kurzem, betontem Vokal sowohl vor als auch nach dem stimmlosen s-Laut ein oder zwei Konsonanten stehen: Herbst, Bürste, Fürst, nächst, Durst, Wulst, bersten.
    3. s statt ss auch bei Wörtern mit den Endungen -as, -nis, -is, -os oder -us: Ereignis, Finsternis, Geheimnis, Gedächtnis, Iltis, gratis, Atlas, Eros, Amos, Globus, Nimbus, Tourismus. (Diese Ausnahme führt nachweislich zu einer bedeutenden Zunahme der Fehler; Duden verzeichnet deswegen sogar Ärgerniss und Kenntniss als „falsche Schreibung“!)
    4. s statt ss überdies bei einer Reihe von einsilbigen Wörtern mit grammatischer Funktion, die einen betonten, kurzen Vokal und nachfolgenden Konsonanten haben: bis, das, des, es, plus, was, wes. In diesen Fällen wird der Konsonant gemäß amtlicher Regelung § 4,6 nicht verdoppelt, auch bei andern Konsonanten als s nicht: ab, an, in, man, mit, ob, um.
  3. Das von der Regeländerung am weitaus meisten betroffene Wörtchen daß war schon bisher eine Ausnahme zu dieser Regel der einsilbigen Wörter. Es bleibt auch in der neuen Heyseschen Regelung in der Form von dass eine Ausnahme. Man will es damit vom Relativpronomen das abgrenzen; in diesem Fall wird also an der Unterscheidungsschreibung festgehalten, die in vielen Fällen sonst aufgegeben worden ist (anders als üblicherweise in der Schweiz werden das und daß hochdeutsch ja gleich ausgesprochen). Dafür war das ß aber viel besser geeignet, wie die enorme Zunahme der Fehler heute zeigt.
  4. Die Regel „nach langem Vokal ß“ ist unzuverlässig. Die Länge der Vokale v. a. am Wortende ist nämlich gar nicht immer eindeutig und regional verschieden, durchaus nicht nur bei den Paradebeispielen die Mass/Maß, das Geschoss/Geschoß und der Spass/Spaß.
  5. Der Vorteil der Heyseschen Regel, sie bezeichne die Vokallänge, ist zu relativieren. Das ß bezeichnet ja auch in der Adelungschen Regel, sozusagen als Nebeneffekt, die Vokallänge im Wortinnern: Busse/Buße, Flosse/Floße, Masse/Maße, wo es Wörter mit unterschiedlicher Lautung und Bedeutung auseinanderhält. Hier liegt der größte Nachteil der schweizerischen ss-Schreibung.
  6. Die Heysesche Regel wird zum Teil mit der Befolgung des Stammprinzips begründet. Das erreicht sie aber nur bei wenigen Wörtern: fassen, müssen, küssen, hassen, hissen, passen, pressen, vermissen,
    wässern,
    jedoch nicht bei essen (er aß), wissen (er weiß), fressen (er fraß), lassen (sie ließ), messen (das Maß), vergessen (sie vergaß); beißen (er biss), fließen (der Fluss), schließen (das
    Schloss), gießen (der Guss), genießen (er genoss), sprießen (es spross), reißen (sie riss), schließen (das Schloss), verdrießen (der Verdruss).
  7. Das ß in der Adelungschen Regel vermeidet das häßliche Dreifach-s: Imbißstube, Schlußstrich. Allerdings haben wir in der Schweiz ohne größere Schwierigkeiten mit dem Dreifach-s zu leben gelernt.
  8. Eigennamen sind von der Regeländerung nicht betroffen. Es gibt in Deutschland allein über 50 Ortsnamen mit ß nach Adelungscher Regel von Daßwang über Heßlingen und Roßtal bis Weßling. Persönliche Eigennamen mit ß nach Adelungscher Regel gibt es natürlich noch viel mehr, so auch die Litfaßsäule. Das Durcheinander wurde mit der Heyseschen Regel also vergrößert (denn zugegeben: Ausnahmen wie Günter Grass und Richard Strauss gab es auch bisher, aber viel weniger).

Peter Müller, SOK