Warum Eclat, aber Biskuit, Début, aber debütieren?

12. November 2007

Ich versuche, für unsere Zeitung die Rechtschreibregeln zusammenzustellen, im wesentlichen (oder doch im Wesentlichen?) basierend auf den SOK-Empfehlungen.

Nun stecke ich aber bei einigen Details fest. Können Sie mir da weiterhelfen?

  • Habe ich die Schreibung der ph-Wörter richtig verstanden, wenn ich bei der Formulierung „vom Telefon zum Mikrophon“ lande?
  • Bei den Fremdwörtern: Wenn Sie Friteuse und Friture empfehlen, erhält dann frittieren auch nur noch ein t?
  • Darf ich trotz Début weiterhin debütieren schreiben, oder wird das irgendwie angepasst?
  • Warum schlagen Sie Eclat, aber Biskuit vor?
  • Dann stellen sich für mich bei der Gross- und Kleinschreibung noch ein paar Probleme. Wann darf man mit der in Aussicht gestellten Liste rechnen?
  • Der Abschnitt bei 5., der beginnt: „Die SOK empfiehlt, Pronomen weiterhin klein zu schreiben…,“ enthält sonderbarerweise einiges, was ich niemals zu den Pronomen zählen würde, z. B. verschiedenes, arm und reich usw. Werden Sie diesen Punkt noch präzisieren? Schreiben Sie ähnliches analog zu verschiedenes klein? Stehen dann Sätze nebeneinander, wie: Morgen hat er Grosses vor. Und: Morgen hat er verschiedenes vor. Und wenn ich vor verschiedenes oder ähnliches etwas setze, wie sieht die Schreibung dann aus?
  • Weiter habe ich gehört, dass die Tageszeiten nun auch wieder klein werden sollen. Gibt es dazu noch irgendwelche „Folgeregeln“?
  • In Ihren Wortlisten schreiben Sie bei den englischen Fügungen direkt untereinander die Empfehlung Boatpeople und Boat-People. Was gilt denn nun?
  • Dann empfehlen Sie bei den Fremdwörtern Co-Pilot und Kopilot und für das Gewebe sowohl Crêpe als auch Krepp.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese paar Fragen beantworten könnten, denn wir möchten spätestens auf Ende Jahr die neue Regelung einführen.

J. P.-N.


Sehr geehrte Frau P.-N.,

vielen Dank für Ihre Fragen. Alle Fragen geben uns Gelegenheit, unsere Empfehlungen zu überprüfen. Hoffentlich können Sie mit den Antworten etwas anfangen.

  • Im wesentlichen, im Wesentlichen: Im 19. Jahrhundert schrieb man solche Wendungen uneinheitlich, aber mit deutlicher Neigung zum grossen Buchstaben: vor Allem, durch Dick und Dünn, im Mindesten, am Besten usf. Vereinheitlicht wurden sie mit dem kleinen Buchstaben, und das war die Schreibweise des 20. Jahrhunderts.Die Reformer der Rechtschreibung wollten den grossen Buchstaben zum Teil wieder einführen; wie die Praxis zeigt, geht das nicht; der grosse Buchstabe entspricht nicht dem modernen Sprachgefühl. Im folgenden Satz ist im übrigen etwas anderes als im Regionalarchiv:„Von ihr existiert ein Nachlass, der im Zweiten Weltkrieg zwar teilweise versehrt worden ist, der aber im Übrigen heute im Regionalarchiv der Krim aufbewahrt wird.“ (St. Galler Tagblatt, 14. November, Seite 21)
  • Vom Telefon zum Mikrophon: Solange man sich nicht entschliesst, das ph überall durch das f zu ersetzen (Strofe, Filosofie), muss man sich an den Gebrauch halten. Der Epheu hat seinerzeit lange gebraucht, bis er sich vom ph trennte; heute ist Mikrophon (noch) gebräuchlicher als Mikrofon. Wir bevorzugen ausserdem eine einfach zu merkende Regel: Foto, Fotograf, Grafik, Telefon und Telegraf mit f, alles andere mit ph.
  • Friteuse, Friture sind französisch geschrieben (eingedeutscht: Frittöse, Frittüre). Zur Schreibweise mit einem t verhält sich das Verb frittieren wie jobben zu Job, toppen zu top, mobben zu Mob u. ä.
  • Début und debütieren: debütieren wird nicht angepasst, débutieren oder debüttieren sind ungebräuchlich.
  • Eclat, aber Biskuit: Wir haben wieder nach dem Gebrauch entschieden. Wenn möglich hielten wir uns an den Grundsatz: bei fremder Aussprache fremde Schreibweise. Es gab aber einige Fälle, wo trotz fremder Aussprache die eingedeutschte Schreibweise überwiegend gebraucht wird, so Biskuit. Es ist ein Grenzfall.
  • Die Listen zur Gross- und Kleinschreibung sollten im Laufe des Dezembers veröffentlicht werden.
  • verschiedenes, arm und reich: Es gibt Wörter, die die Wortart wechseln. Das hängt vom Sprachgefühl ab und zeigt sich darin, dass die Wörter im Satz in einer bestimmten Weise verwendet werden. schade in der Wendung es ist schade empfindet heute niemand als Substantiv; niemand schreibt heute: es ist viel Schade. Auch arm und reich ist in seiner Bedeutung verblasst; die Wendung bedeutet etwas ähnliches wie alle und hat insofern etwas von einem Pronomen. Will man der Wendung die Kraft des Substantivs zurückgeben, so müsste man das auch bei durch dick und dünn machen. Diese Wendung schreiben die Reformer nach wie vor klein; das ist zweifellos richtig, aber auch die verwandten Wendungen sind klein zu schreiben.Morgen hat er Grosses vor. Morgen hat er verschiedenes vor. Es gibt heute verschiedenes im Sinne von einiges, manches: wieder pronominal. Schreibt man verschiedenes gross, so gibt man dem Wort den vollen Sinn: was sich von etwas unterscheidet. Diese Verwendung dürfte selten sein (ähnlich stellt man sich unter einem bisschen kaum den kleinen Bissen vor). etwas ähnliches ist vergleichbar mit etwas anderes: klein; etwas verschiedenes ist keine gebräuchliche Wendung.
  • Tageszeiten: Heute morgen wird klein geschrieben wie gestern nachts oder spät abends. Die Angaben zur Tageszeit sind in dieser Verwendung keine Substantive mehr. Folgeregeln gibt es nicht.
  • Boatpeople und Boat-People: Es gilt Boat-People. Danke für Ihren Hinweis auf diesen Fehler.
  • Co-Pilot und Kopilot, Crêpe als auch Krepp für Gewebe: Die SOK empfiehlt Kopilot sowie (wie im Einleitungstext erwähnt), Krepp fürs Gewebe und Crêpe für den Kuchen. Auch hier besten Dank für Ihren Hinweis auf diesen Fehler.

Stefan Stirnemann, SOK
Peter Müller, SOK

Top-Ten-Universitäten

7. November 2007

Zu diesem orthographischen Problem habe ich keine Lösung gefunden:

Schreibt man Top Ten Universitäten oder Top-Ten-Universitäten?

Also: Koppelt man durch oder nicht? Meine Überlegung war, dass im Englischen ja nicht gekoppelt wird, also bei Top Ten kein Bindestrich gesetzt wird. Andererseits würde es Sinn machen, zwischen Ten und Universitäten einen Bindestrich zu setzen, dann aber käme die Regel zum Zug, nach der alle Teile durchgekoppelt werden müssten. Dies aber hält m. E. den ästhetischen Kriterien nicht stand… Über eine Antwort von Ihnen und/oder auch über die Aufnahme dieses Begriffs in Ihre Liste würde ich mich auf alle Fälle freuen.

S. L.

 

Sehr geehrte Frau L.,

Top-Ten-Universitäten ist eine Zusammensetzung. Eine Zusammensetzung kann keine Wortzwischenräume enthalten.

Zusammensetzungen werden grundsätzlich in einem Wort geschrieben, z. B. Verlegerverband, Vereinskasse, Dampfschifffahrtsgesellschaft usw.

In gewissen Fällen, z. B. zur besseren Lesbarkeit unübersichtlicher Zusammensetzungen, zur Vermeidung von Missverständnissen oder zur Herausarbeitung eines eigentlichen Sinnes, kann ein Bindestrich gesetzt werden (Mess-Ergebnis, Druck-Erzeugnis, Hoch-Zeit); dies geschieht häufig, wenn eines der beteiligten Wörter ein (nicht sehr übliches) Fremdwort ist oder wenn die Zusammensetzung aus vier oder mehr Wörtern besteht (Computer-Tomographie, Unfall-Versicherungsgesetz).

Neu gehören zu den offensichtlich unübersichtlichen Zusammensetzungen auch die Fälle, bei denen durch die Reform drei gleiche Konsonanten zusammentreffen, d.&bsp;h. es kann ein Bindestrich gesetzt werden (Schiff-Fahrt). Die SOK empfiehlt, keinen Bindestrich zu setzen.

Bindestriche müssen gesetzt werden, wenn eines der beteiligten Wörter eine Abkürzung oder ein Einzelbuchstabe ist: Kfz-Brief, Dipl.-Ing, i-Punkt.

Die Reform verlangt neu in einigen Fällen auch einen Bindestrich beim Zusammentreffen von Ziffer und Buchstabe: 19-jährig, 90-mal (aber: 32stel, 90er; 2fach oder 2-fach). Die SOK empfiehlt, in diesen Fällen der herkömmlichen Rechtschreibung zu folgen und keinen Bindestrich zu setzen.

Zu vermeiden sind Bindestriche, wenn die Zusammensetzung mit einem Fugenelement versehen ist: Vereinspräsident, Hundehütte, Scheunentor.

Besteht das Bestimmungs- oder das Grundwort aus mehreren Wörtern, die selbst keine Zusammensetzung bilden (z. B. mehrteilige Eigennamen), werden überall Bindestriche gesetzt („Durchkupplung“): eine Sowohl-Als-auch-Haltung, Ernst-Reuter-Platz. Bestimmungs- und Grundwort dürfen nicht enger zusammengerückt werden als die Wörter des Bestimmungswortes; also nicht: Ernst Reuter-Platz oder gar Ernst-Reuterplatz (Ernst und Reuter gehören als Bestimmungswörter enger zusammen als Reuter und Platz).

Für die Zusammensetzung Top-Ten-Universitäten folgt daraus:

Es handelt sich um eine Zusammensetzung mit einem mehrteiligen Bestimmungswort („Top Ten“). Die Zusammensetzung muss deshalb mit Bindestrichen versehen („durchgekuppelt“) werden.

Dass Top Ten im Englischen ohne Bindestrich geschrieben wird, hat dabei keine Bedeutung. Es würde ja auch im deutschsprachigen Kontext nicht mit Bindestrich geschrieben („Die Top Ten dieser Liste“), genauso wenig wie Ernst Reuter im vorherigen Beispiel.

Will man die Originalschreibweise beibehalten, ist dies durch Markierung des Bestimmungswortes (durch Anführungszeichen oder Hervorhebung mit Kursivschrift o. ä.) aber möglich: die „Top Ten“-Universitäten, die Top Ten-Universitäten.

Die Rechtschreibreform hat sich mit diesem Thema nicht beschäftigt, weil nichts geändert worden ist. Aus dem gleichen Grund sind solche Wörter auch in unseren Verzeichnissen nicht aufgeführt. Wir überlegen uns aber, ob wir eine Liste allfälliger Zweifelsfälle erstellen sollen, auch wenn sie von der Reform nicht betroffen sind.

Peter Müller, SOK

weibliche Formen

5. November 2007

Wie Sie sicher wissen, ist es in Deutschland seit langem ein Streitpunkt, wie die Frauen in der Schreibweise kenntlich zu machen sind. Die Reformer haben sich vor einer Regelung gedrückt.

Es sind verschiedene Formen in Gebrauch: Verkäufer/innen, VerkäuferInnen, Verkäufer(innen), Käufer-, Verkäufer-, Erzeuger- und -innen. Daneben natürlich einfach Käuferinnen und Käufer. Eigentlich ist nichts davon wirklich gut les- und schon gar nicht sprechbar.

Haben Sie eine Empfehlung oder arbeiten Sie an einer?

Da ich häufig für Gleichstellungsbeauftragte schreibe, stosse ich immer wieder auf das Problem.

Dass ich mich gerade an Sie wende, mag Ihnen zeigen, dass ich zu den Kritikerinnen der Reform gehöre.

A. B.

 

Sehr geehrte Frau B.,

die Frage der weiblichen Schreibweisen ist eigentlich keine der Rechtschreibung, solange die Schreibweisen den Rechtschreibregeln entsprechen.

Die Reformer haben sich deshalb richtigerweise nicht zu diesem Thema geäussert. Aus dem gleichen Grunde äussert sich auch die SOK auf ihrer Website nicht dazu. Trotzdem einige Überlegungen zum Thema:

Rein sprachlich gesehen, ist die permanente Nennung der weiblichen Formen unnötig. In den Formen Verkäufer usw. kann man ein sogenanntes generisches Maskulinum sehen, das mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun hat. Ein Indiz dafür ist, dass es auch generische Feminina und Neutra gibt: die Wache, die Gans, die Geisel, die Waise, das Opfer, das Kind, die Person. Alle Diminutive sind generische Neutra: das Mädchen, das Schneiderlein (siehe auch „Generisches Maskulinum„“ auf Wikipedia).

Die systematische Nennung der weiblichen Schreibweisen führt zu schweren Beeinträchtigungen der Lesbarkeit. Sie kann auch gar nicht vollständig durchgehalten werden, z. B. in Zusammensetzungen: Bürgervertreter müsste in Bürger- und Bürgerinnenvertreter und -vertreterinnen umgesetzt werden.

Die aus politischer Korrektheit vor allem von feministischer und linker Seite geforderte zunehmende Verwendung von weiblichen Schreibweisen führt dazu, dass unter dem neutralen generischen Maskulinum schliesslich wirklich nur noch Männer verstanden werden, fälschlicherweise auch in denjenigen Fällen, in denen beide biologischen Geschlechter gemeint sind: da, wo auch Verfechter der feministischen Schreibweisen ihr System nicht durchhalten können (s. o.), oder in der Normalschreibweise, in der der Schreiber das generische Maskulinum meint. Dem Anliegen der Gleichstellung wird damit eher geschadet als genutzt.

Inzwischen kommt niemand mehr um die Berücksichtigung dieser Entwicklung herum. Dabei ist eine moderate Anwendung der weiblichen Formen zu empfehlen. Mehrere Institutionen wie der Duden, in der Schweiz die Bundeskanzlei, haben dazu Richtlinien herausgegeben. Doppelnennungen werden vor allem in (feierlichen) Ansprachen empfohlen. In Stelleninseraten sind sie teils sogar vorgeschrieben. In vielen Fällen werden Ersatzformulierungen wie Studierende (statt Studenten und Studentinnen) empfohlen. Das sogenannte Binnen-I hingegen widerspricht den (herkömmlichen und reformierten) Rechtschreibregeln und ist damit rechtschreiblich gesehen falsch.

In längeren Dokumenten kann auch der Hinweis angebracht werden, dass im Text das generische Genus verwendet wird (nicht dass Frauen „mitgemeint“ seien), z. B. aus einem Dokument der SDA:

Hinweis: In diesem Dokument wird aus sprachlichen Gründen (Lesbarkeit, Ästhetik) das generische Genus (in der Regel das generische Maskulinum) angewendet. Das generische Maskulinum (z. B. der Mitarbeiter, der Vorgesetzte) bezeichnet das biologische Genus genauso wenig wie das generische Femininum (z. B. die Waise, die Geisel) oder das generische Neutrum (z. B. das Männchen, das Mädchen). Wo nicht ausdrücklich unterschieden wird, sind immer beide biologischen Genera gemeint.

Peter Müller, SOK

Tagung vom 31. Oktober 2007

Auf ihrer vierten Tagung vom 31. Oktober 2007 im Zunfthaus zur Waag in Zürich stellte die SOK ihre abschliessenden Empfehlungen zur Rechtschreibung vor. Unter anderem sollen die Tageszeiten wie heute abend entgegen der amtlichen Rechtschreibung klein geschrieben werden, beim Zusammentreffen von Ziffern und Buchstaben wie 19jährig soll kein Bindestrich gesetzt werden, und der Konjunktiv in wenn ich schriee soll durch ein zweites e markiert werden.

Rede Dr. Christoph Stalder
Präsentation Peter Müller
Resolution

Bilder
Videos (Filippo Leutenegger, Rudolf Wachter, Urs Breitenstein)

Pressemitteilung SOK
Meldung SDA
Bericht Walliser Bote
Bericht Stolz-Verlag