Nach der Anrede gross oder klein?

5. Oktober 2010

Wir benötigen dringend einen Rat zur korrekten Schreibweise eines Briefes betreffend Anrede und Fortführung.

Folgender Text:

Sehr geehrte Damen und Herren

Zusammen…

Dies sei die Schreibform in der Schweiz laut unserem dortigen Vertriebspartner.

Aber nach meiner Meinung muss es wie bei uns richtig heißen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zusammen…

Können Sie mir helfen und die Schreibweise deutlich machen?

A. B., Deutschland


Sehr geehrte Frau B.,

in der Schweiz ist in der Tat die Form ohne Komma nach der Anrede üblich, danach wird mit Großbuchstaben weitergefahren (siehe Musterbrief beim KV Schweiz).

Die in Deutschland übliche Form mit Komma und folgendem Kleinbuchstaben für klein geschriebene Wörter nach DIN 5008 trifft man jedoch auch an.

Die Form mit Ausrufezeichen ist nicht mehr üblich.

Rein orthographisch gesehen, sind alle drei Formen richtig. Wo eine Vereinheitlichung angestrebt wird, handelt es sich lediglich um kaufmännische Richtlinien.

Peter Müller, SOK

Tagung vom 20. Mai 2010

Auf ihrer sechsten, in Zusammenarbeit mit dem Verein Medienkritik Schweiz durchgeführten Tagung vom 20. Mai 2010 im Zunfthaus zur Waag in Zürich stellte die SOK fest, dass die nach wie vor fehlende einheitliche und sprachrichtige Rechtschreibung zu grosser Unsicherheit bei Journalisten, Schülern, Studenten und zunehmend auch bei den Lehrern selbst führe. Unannehmbar sei, dass der für Schulen verbindliche Schülerduden zahlreiche nach neuer Rechtschreibung gültige herkömmliche Varianten unterschlage. Auch der Leitfaden der Bundeskanzlei enthalte noch zu viele Fehler. Einen Lichtblick gebe es in Österreich, wo die Autorinnen und Autoren in einem Vertrag mit den Schulverlegern erreicht haben, dass ihre Texte in Schulbüchern nicht ohne ihre Zustimmung an neue Normen angepasst werden dürfen. Die Autoren und Autorinnen der Schweiz (AdS) planen ein ähnliches Vorgehen.

Bilder

Vorschau DRS2 (Ton, 2,8 MB)
Pressemitteilung SOK
Bericht St. Galler Tagblatt
Bericht Stolz-Verlag

Schweizer Schülerduden laut SOK „unbrauchbar“

Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) hat an ihrer sechsten Tagung vom 20. Mai in Zürich den Schweizer Schülerduden als „unbrauchbar“ bezeichnet. Das für Schulen verbindliche Referenzwerk unterschlage zahlreiche auch nach neuer Rechtschreibung gültige herkömmliche Varianten. Werde nach ihm korrigiert, würden den Schülern richtige Schreibweisen als Fehler angestrichen, was ein Skandal sei. Die SOK fordert deshalb, den von den beiden Schweizer Reformern Peter Gallmann und Thomas Lindauer herausgegebenen Schülerduden zurückzuziehen.

Der Schülerduden konterkariere die Bestrebungen des Rates für deutsche Rechtschreibung noch dreister als der Duden, so die SOK weiter. Dieser gibt bei Variantenschreibungen eine Empfehlung für eine bestimmte Schreibweise ab. Besonders bei der umstrittenen Getrennt-/Zusammenschreibung wird dabei häufig die reformierte Getrenntschreibung empfohlen. Der Rat hat diese Einschränkung, die seinen Intentionen zuwiderlaufe, scharf kritisiert.

Mitveranstalter der unter dem Titel „Sprachsicherheit“ stehenden Tagung war der neugegründete Verein Medienkritik Schweiz. Erstmals wirkte auch der Verband Autorinnen und Autoren der Schweiz AdS mit. Der AdS weist in einer Eingabe an die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur auf die Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Lage hin und unterstützt den Weg der SOK. Erstunterzeichner sind Jürg Amann, Urs Faes, Thomas Hürlimann, Charles Linsmayer, Pirmin Meier, Klaus Merz, Adolf Muschg, Suzann-Viola Renninger, Peter von Matt, Gisela Widmer, Urs Widmer, Peter Zeindler.

In einem von Nationalrat Filippo Leutenegger moderierten Podium zeigte sich, dass man nach wie vor von einer einheitlichen und sprachrichtigen Rechtschreibung weit entfernt ist. Es diskutierten: Nicole Pfister Fetz (AdS), Gottlieb F. Höpli (Verein Medienkritik Schweiz), Dr. Ludwig Laher (IG Österreichische Autorinnen und Autoren, Rat für deutsche Rechtschreibung), sowie Prof. Dr. Rudolf Wachter (Universitäten Basel und Lausanne, SOK).

Ludwig Laher berichtete, dass die Autorinnen und Autoren Österreichs in einem Vertrag mit den Schulverlegern erreicht haben, dass ihre Texte in Schulbüchern nicht ohne ihre Zustimmung an neue Normen angepasst werden dürfen. In den Schulbüchern Österreichs werden damit wieder literarische Texte in herkömmlicher Rechtschreibung erscheinen. Dies wertet auch die SOK als wichtigen Erfolg im Kampf gegen amtlich verordnete Eingriffe in Sprache, Schrift und Gestalt eines Textes.

In der SOK sind Vertreter der Presse, der Literatur und der Sprachwissenschaft vereinigt. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Sprachrichtigkeit und Einheitlichkeit der Rechtschreibung in Presse und Literatur zu fördern. Ihre wichtigste Empfehlung, „Bei Varianten die herkömmliche“, wird in der Schweizer Presse weitgehend umgesetzt. Auch weitere Empfehlungen der SOK werden befolgt, und sie wirken zunehmend auch in Deutschland.

Zürich, 20. Mai 2010

steigen oder ansteigen?

26. April 2012

Meine Frage betrifft nicht die Orthographie, sondern die korrekte Verwendung eines Wortes. Dennoch wäre ich froh, wenn Sie mir weiterhelfen könnten. Ich möchte nämlich gerne wissen, welche der folgenden Varianten korrekt ist:

  • Die Bevölkerungszahl stieg um ein halbes Prozent.
  • Die Bevölkerungszahl stieg um ein halbes Prozent an.

C. M.

 

Sehr geehrte Frau M.,

ich halte beide Sätze für richtig: Die Bevölkerungszahl stieg um ein halbes Prozent und stieg um ein halbes Prozent an. Was die Vorsilbe an- leistet, ist nicht leicht zu bestimmen.

In der Duden-Grammatik (4. Auflage 1984) lese ich (Ziffer 755): „In Verbindung mit intransitiven Verben der Bewegung kennzeichnet das Halbpräfix an- vor allem die Annäherung an ein Ziel (anfliegen, ankommen) im Gegensatz zu ab- (abfliegen) usf.“

Es gibt aber auch Sprachbücher, die nicht so abstrakt sind wie die Duden-Grammatik. Ein älteres stammt von Eduard Engel: Gutes Deutsch, ein Führer durch Falsch und Richtig (um 1931 oder 1933 erschienen).

Hilfe bietet auch die Schweizer Sprachberatung. Sie ist der SOK verbunden.

Stefan Stirnemann, SOK