Nach während Genitiv oder Dativ?

12. August 2009

Ich bin mir nicht sicher, ob es

  • Während der Schulferien oder
  • Während den Schulferien

heisst. Können Sie mir bitte weiterhelfen?

Vielen Dank!

R. K. C.

 

Sehr geehrter Herr C.,

die Präposition „während“ wird im allgemeinen mit dem Genitiv verbunden: Während des Festes bleibt das Geschäft geschlossen. Während der Ferien wird die Zeitungszustellung unterbrochen.

Früher war auch der Gebrauch des Dativs üblich: Während dem Schiessen und Geschrei war er aus dem Wagen gesprungen (Tieck).

Heute ist der Gebrauch des Dativs seltener. Er kommt noch landschaftlich vor, besonders in der Schweiz.

Es geht also hier nicht um falsch oder richtig; beide Formen sind zu akzeptieren.

Erwähnt seien noch folgende Ausnahmen: bei alleinstehenden starken Nomen wird der Dativ verwendet, weil der Genitiv nicht erkennbar ist (er ist identisch mit Nominativ und Akkusativ): während Jahren (nicht: während Jahre). Erhalten ist der Dativ ausserdem noch in währenddem.

Peter Müller, SOK

Rechtschreibreform – Grammatikreform?

19. Juni 2009

Ich habe mit Interesse den Artikel von Rudolf Wachter in der „NZZ am Sonntag“ vom 17. Mai 2009 gelesen und teile seine Meinung zur Rechtschreibreform vollumfänglich. Dadurch habe ich auch von Ihrer Arbeit erfahren.

Nachdem ich als einer, der mit der Sprache umzugehen gewohnt ist, auch seit gut einem Jahrzehnt das Hin und Her erdulden muss, was bei mir (wie bei vielen anderen) dazu führte, dass ich mich seither – so oft wie nie in all den Jahren vor 1996 – vergewissern muss, dass meine Schreibweise auch wirklich die dem gerade offiziellen Stand gemässe ist, meine ich feststellen zu können, dass korrektes Deutsch zu meinem Leidwesen immer weniger Menschen wichtig zu sein scheint.

Ich glaube schon, dass das anhaltende Vor und Zurück einen diesbezüglichen negativen Trend noch zusätzlich befördert hat.

Das Resultat sehe ich in Verwerfungen, entstanden durch das immer neue Ändern der Rechtschreibung. Mir fällt nämlich auf, dass die Grammatik ebenfalls einer Reform zu folgen scheint, zu der nie etwas zu lesen oder zu hören ist. Möglicherweise sind die Lehrpersonen besser orientiert und vielleicht auch gewisse Journalisten.

Beispiele gibt es zuhauf. Beim Genitiv etwa wird abgebaut, was das Zeug hält. Der Konditionalsatz wird mit „weil“ statt „denn“ eingeleitet. Unbestimmte Mengenangaben wie „Hunderte von Menschen“ werden ohne das sinnvolle „von“ geschrieben, was nicht nur unschön klingt, sondern auch orthographische Fehler produziert, indem die einen die Zahlangabe gross, die andern klein schreiben usw.

Es würde mich deshalb in dem Zusammenhang interessieren, ob die neue Rechtschreibung, da wo auf sie „moderne“ Grammatik einwirkt, wenigstens etwas Kohärentes zuwege gebracht hat.

Selbstredend gäbe es hierzu noch um einiges mehr zu sagen, als das, was hier angetönt ist, doch liegt mir lediglich daran, im Sinne eines pfleglichen Umganges mit unseren schönen Sprache Sie an Gedanken zu einem m. E. konstant ausgeklammerten Aspekt teilhaben zu lassen und vielleicht auch zu fragen, ob er ggf. auch bei Ihnen Thema ist, bzw. sein könnte.

J. B.

 

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Mitteilung. Die sogenannte Reform der Rechtschreibung fördert sicher die Nachlässigkeit im Umgang mit der Sprache, und die Grammatik ist von ihr auch betroffen. Beispiel: die Grossschreibung von Tageszeiten (heute Morgen) und die Trennung alter Adjektive: „Sie ist weit gereist“ soll dasselbe bedeuten wie „sie ist weitgereist“ (d. h. jemand, der reiseerfahren ist). Damit sind die Schreibregeln des Deutschen verletzt, welche gerade in den Bereichen Gross/Klein und Getrennt/Zusammen grammatischen Verhältnissen folgen, d. h. den Verhältnissen der Formen im Satz.

In diesem Durcheinander stecken wir nach dreizehn Jahren Reform immer noch, und die Frage ist, wie lange es wohl dauert, bis wir ihm entkommen sind. Die SOK kann diesen Prozess abkürzen. Voraussetzung ist freilich, dass sie unterstützt wird.

Am besten treten Sie der SOK bei und machen in Ihrem Umkreis auf die SOK aufmerksam.

Stefan Stirnemann, SOK

Mujahedin oder Mudschahedin?

mujahedin12. Juni 2009

Grundsätzlich finde ich die Empfehlungen der SOK sinnvoll und
wünsche mir, dass ihnen möglichst viele Schreiber folgen mögen.

Zu folgendem Punkt habe ich eine Anmerkung:

Bei den Fremdwörtern geben Sie für die Schweiz Empfehlungen ab
nach dem Grundsatz, die Schreibweise in der Originalsprache
beizubehalten. Allerdings erwähnen Sie zwei Beispiele aus dem
Arabischen: Jihad (statt Dschihad) und Mujahedin (statt
Mudschahedin).

Die Schreibung mit j für den Laut dsch entspricht der
englischen Transliteration des Arabischen. Meines Erachtens
gibt es keine Berechtigung, nicht in dem lateinischen
Alphabet geschriebene Sprachen nach den Regeln einer
Drittsprache (des Englischen) wiederzugeben. Mujahedin ist
nicht näher an der Originalsprache als Mudschahedin.

Können Sie mir die Überlegungen erläutern, wie Sie auf
diese Empfehlung gekommen sind?

(Aus ähnlichem Grund leuchtet mir übrigens auch nicht ein,
wieso man Mexico City gegenüber Mexiko-Stadt den Vorzug gibt.
– Obwohl es sich hier nicht um eine Frage der Rechtschreibung,
sondern der Wortwahl handelt.)

D. R.

 

Sehr geehrter Herr R.,

auf den ersten Blick haben Sie natürlich recht: Transkriptionen aus fremden Alphabeten ins Deutsche sollten in die deutsche Lautung vorgenommen werden. Es sind aber weitere Kriterien zu berücksichtigen, vor allem – wie immer bei den Empfehlungen der SOK – der Usus.

Bei der Transkription arabischer Namen und Ausdrücke sind wir der Regelung der NZZ (und des St. Galler Tagblatts) gefolgt. Die NZZ schreibt in ihrem „Vademecum“:

„Gemäss den Gepflogenheiten der Geographie und Kartographie transkribiert die NZZ Namen in vormals unter britischer Souveränität stehenden Ländern englisch, Namen in vormals unter französischer Souveränität stehenden Ländern dagegen französisch. Die Letzteren sind, was die arabische Welt angeht, Syrien, Libanon, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien.

Bei den Vokalen gibt es den einzigen Unterschied, dass der arabische Vokal für ‚u‘ englisch mit ‚u‘, französisch aber mit ‚ou‘ transkribiert wird.

Bei den Konsonanten gibt es den einzigen Unterschied, dass der arabische Konsonant, der dem deutschen ‚sch‘ entspricht, englisch mit ‚sh‘, französisch dagegen mit ‚ch‘ transkribiert wird (z. B. der syrische Aussenminister Charea bzw. Farouk ach-Charea oder Chebaa-Höfe). Das deutsche ‚sch‘ gibt es in Transkriptionen der NZZ nicht.

Merke: Ob englisch oder französisch transkribiert – das deutsche ‚j‘ ist immer ‚y‘, das deutsche ‚dsch‘ ist immer ‚j‘, und deutsches ‚ch‘ ist immer ‚kh‘.“

Ein Probe in Google ergibt, dass die Schreibweisen mit dsch im deutschsprachigen Raum ungefähr 7:3 überwiegen, in der deutschen Schweiz allerdings – wohl aufgrund der NZZ-Regelung – nur mit etwa 6:4. Die SOK hat angekündigt, Richtlinien zu Transkriptionen herauszugeben (nicht zu verwechseln mit Transliteration; während die Transkription eine Annäherung an die Lautung mit Hilfe des lateinischen Alphabets versucht, handelt es sich bei der Transliteration um eine diakritische Zeichen enthaltende Umschrift, die auch eine Rückübersetzung ins fremde Alphabet erlaubt). Dabei werden wir auch die Transkriptionen arabischer Ausdrücke und Namen überprüfen. Transkribierte Namen werden dann in einer separaten Wörterliste erscheinen.

Im Falle von Mexico City liessen wir uns vom Usus leiten. Natürlich scheint es widersinnig, die spanischsprachige Hauptstadt, die nie unter englischer oder amerikanischer Souveränität stand, im Deutschen englisch zu bezeichnen. Dass es trotzdem getan wird, hat neben der Allgegenwart der englischen Sprache wohl auch damit zu tun, dass die offizielle spanische Bezeichnung Ciudad de México in Mexiko selbst ungebräuchlich ist; dort nennt man die Hauptstadt einfach México oder el D.F. (Distrito Federal), geschrieben „México D.F.“ oder – wie in lateinamerikanischen Ländern üblich – la capital. Das Land hat seinen Namen seinerseits von der Hauptstadt und wird meist la República genannt. Eine wiederum bei Google unternommene (und zugegebenermassen nie ganz beweiskräftige) Probe ergibt im deutschsprachigen Raum ein Verhältnis von ungefähr 6:4 zugunsten von City, während das Verhältnis in der deutschen Schweiz praktisch ausgeglichen 5:5 ist. Dies wohl weil die NZZ in diesem Fall sich für die Schreibweise Mexiko-Stadt entschieden hat – auch dies Anlass für uns, die Sache zu überprüfen.

Peter Müller, SOK

Fremdwörter ‒ Schreibweise des Herkunftslandes?

8. Juni 2009

Nachdem ich im Zusammenhang mit dem Rechtschreibemoratorium (if it is not broken, don’t fix it!) auf Ihre Website gestossen bin, habe ich eine Frage oder einen Vorschlag. Je nachdem.

Vorerst möchte ich Ihnen sagen, dass ich fliessend französisch und englisch spreche. 14 Jahre in Genf und über 10 Jahre im „englischsprachigen Business“ im Ausland tätig. Ich verstehe gesprochenes und geschriebenes Italienisch zu 70–80%, habe aber keine Sprechpraxis. Aufgewachsen in Zürich. Dann hatte ich Gelegenheit, insgesamt 6 Jahre in Moskau zu verbringen und Russisch zu lernen. Ich kann es zwar immer noch nicht, aber hinter den kyrillischen Buchstaben steckt ein grosser Haufen an deutschen und französischen Wörtern, die im Lauf der Geschichte den Weg nach Russland gefunden hatten. Nicht nur Wörter, auch Denkmuster. Nur machen die fremden Schriftzeichen den Zusammenhang für uns unsichtbar.

Was ich sagen möchte, ist das folgende: Jemand, der nicht mit mindestens 2 nachbarlichen Fremdsprachen sehr gut vertraut ist, ist nicht qualifiziert, die eigene Sprache zu reformieren. Denn es gibt Zusammenhänge zu berücksichtigen, die ausserhalb der zu reformierenden Sprache liegen.

Nun zu meinem Vorschlag betreffend Fremdwörter. Die Geschichte mit Maiones, Schpageti etc. Ein Fremdwort hat immer einen Ursprung in einer Sprache. Dort passt es auch phonetisch hinein. Fondue, Bolognese oder Paella – man sieht die Herkunft. Das ist nicht türkisch!

Entweder man kreiert ein äquivalentes Wort für eine Sache in der eigenen Sprache – wie „Kraftbrühe“ für „Sauce“ oder „Schmelzbrei“ für „Fondue“ – und dann ist das Problem gelöst. Wenn man das nicht kann, dann gilt die Schreibweise des Herkunftslandes des Wortes als Rechtschreibereferenz. Ohne die Wörter zu korrumpieren. Das gibt eine einfache Regel, die Sprache wird nicht „verhunzt“.

Gibt es solche Ansätze für die Fremdwortproblematik? Was halten Sie davon?

M. O.

 

Sehr geehrter Herr O.,

wir sind mit Ihnen weitgehend einverstanden. Ganz so einfach, wie Sie vorschlagen (äquivalentes Wort benutzen oder fremde Schreibweise), ist es allerdings nicht – wie so oft in der Orthographie! Es gibt Fremdwörter, die längst vollkommen eingedeutscht sind, ohne dass dagegen noch etwas einzuwenden wäre: Ballett statt Ballet, Büro statt Bureau, Affäre statt Affaire; Bluse, Dusche, Fabrik, Frisur, Garderobe, Karosse, Kompliment, Konfitüre, Minister; Bankrott, Fresko, Konzert, Menuett.

In der Schweiz verfahren wir bei der Eindeutschung von Fremdwörtern traditionell viel zurückhaltender als Deutschland und Österreich, etwas was mit „Rücksicht auf unsere anderen Landessprachen“ umschrieben werden könnte (Prof. Rudolf Wachter).

Das führt nach Empfehlung der SOK gelegentlich auch zu Abweichungen vom amtlichen Wörterverzeichnis wie neuerdings bei Communiqué, das unverständlicherweise ausgeschieden ist, während neu Kommunikee als Variante zu Kommuniqué aufgenommen wurde, oder bei Tea-Room (es gibt nur noch Tearoom). Gleich erging es den fremd geschriebenen Caramel, Couvert, Friteuse, Friture und Stukkatur: sie schieden aus; wo waren hier eigentlich die Schweizer Vertreter in den entsprechenden Gremien? Bei Apéritif, Bohème, Bohémien, Cognac, Crème, Début, Déjeuner, Eclat, Entrée, Nécessaire, Ouverture, Pédicure, Protégé, Résumé; Bay, Vademecum bestand die Abweichung schon in der herkömmlichen Rechtschreibung. Abweichungen bei nicht im amtlichen, sondern nur im Duden verzeichneten Fremdwörtern sind Cédille, Championnat, Décharge, Directrice, Ecarté, Ecossaise, Enquête, Entrecôte, Etagère, Flambé.

Wo Varianten bestehen, empfiehlt die SOK grundsätzlich die nicht eingedeutschte: Buffet, Décolleté, Dépendance, Menu, Meringue, Mohair, Mousseline, Occasion, Portemonnaie, Praliné, Quai, Spaghetti, Tricot (Stoff), Variété. Ausnahmen sind allgemein gebräuchliche eingedeutschte Schreibweisen wie Frottee, Jacht, Kampagne, Koffein, Kompanie, Mokka, Zirkus und – trotz fremder Aussprache! – Korps.

Mischformen wie Creme, Kapriccio, Kommuniqué, Ekossaise, Direktrice, Protegé sind, auch aus didaktischen Gründen, zu vermeiden.

Die SOK empfiehlt, nach der Faustregel „Bei fremder Aussprache fremde Schreibweise“ zu verfahren: das führt u. a. zu den bereits erwähnten Schreibweisen Couvert, Eclat, Flambé.

Die Bezeichnung „Faustregel“ ist geboten, weil die Regel nicht in allen Fällen anwendbar ist:

a) Ausnahmsweise fremd ausgesprochen und trotzdem eingedeutscht geschrieben werden beispielsweise: Bankier (in Deutschland gemischt ausgesprochen, vorne deutsch, hinten fremd!), Biskuit (in Deutschland deutsch ausgesprochen), ausserdem die auch in Deutschland fremd ausgesprochenen Gelee, Interieur, Korps, Ragout, Reduit, Regime, Soiree, Visavis.

b) Die Regel hilft nicht, wenn die fremde Aussprache mit der deutschen identisch oder beinahe identisch ist, z. B.: Büro, Frottee, Klischee.

Die Faustregel berücksichtigt immerhin die im Gegensatz zu Deutschland in der Schweiz in vielen Fällen noch übliche fremde Aussprache: Quai, Buffet, Caramel usw.

Zu beachten ist allerdings, dass es auch die umgekehrte Erscheinung gibt: fremde Aussprache in Deutschland, deutsche (oder schwankende) Aussprache in der Schweiz: Kantonnement, Reglement, Karton, Parfum (sogar bei eindeutschender Schreibweise Parfüm); im Falle von Usance/Usanz ist sogar auch die Schreibweise unterschiedlich: fremd in Deutschland, deutsch in der Schweiz.

Peter Müller, SOK