gespeist oder gespiesen?

speisen26. März 2013

Gespeist oder gespiesen: welche Variante empfehlen Sie?

R. S.

 

Sehr geehrter Herr S.,

wir empfehlen die standardsprachliche schwache Beugung: gespeist.

In der Schweiz ist allerdings die mundartsprachliche starke Beugung gespiesen weit verbreitet. Beim transitiven Gebrauch (im Sinne von „etwas mit etwas versorgen“) mag das noch durchgehen: Die Heizung wird mit Strom gespiesen. Wird es im Sinne von „gegessen“ verwendet, wirkt es wie gewunken und gehunken scherzhaft.

Peter Müller, SOK

das oder die E-Mail?

email4. Februar 2013

Welche Schreibweise empfehlen Sie, „das E-Mail“ oder „die E-Mail“?

K. E.

 

Sehr geehrte Frau E.,

dies betrifft eigentlich keine Rechtschreibfrage, weshalb die SOK keine Empfehlung abgibt.

Dennoch folgender Kommentar:

In der Schweiz ist das E-Mail gebräuchlich, in Deutschland die E-Mail (in Süddeutschland beides). Das gleiche gilt für SMS.

Es handelt sich also um eine schweizerische Besonderheit wie etwa das Kader (statt der Kader), das Tram (statt die Tram), der Radio (statt das Radio), der Final (statt das Finale).

Schweizerische Besonderheiten gibt es vor allem im Vokabular (Beispiele aus der A-Strecke): Absenz, Abwesenheit, allfällig, alsbald, alsdann, Ambiance, Anlehre, ansonst[en], Anstösser, aper, Apéro, Attikawohnung, äufnen, Aufrichte, ausserorts, Ausstand, avisieren. Weitere bekannte Beispiele sind Redaktor (statt Redakteur), Perron (statt Bahnsteig), bei Eindeutschungen Communiqué (statt Kommuniqué oder Kommunikee), beim Binde-s Zugsmitte (statt Zugmitte).

Texte aus der Schweiz unterscheiden sich ausserdem gewöhnlich durch das Fehlen des ß, die Verwendung des Apostrophs statt des Punktes als Tausendertrennzeichen (10’000) sowie von „Guillemets“ statt „Gänsefüsschen“.

In Texten, die sich ausschliesslich oder weit überwiegend an Schweizer Empfänger richten, ist die Berücksichtigung dieser Besonderheiten angebracht.

Peter Müller, SOK

A1 oder A 1?

stau8. September 2011

Im Wegweiser der SOK „zu einer einheitlichen und sprachrichtigen
deutschen Rechtschreibung“ (1. Auflage, 2010) lese ich unter
Punkt 4.c, dritter Absatz: „Zahlen und Buchstaben tun einander
nicht weh.“

Aus diesem Grund empfiehlt die SOK, auf den Bindestrich zwischen Zahlen und Buchstaben zu verzichten und zusammenzuschreiben.

Ich erinnere mich aber noch an einen Lehrspruch meines Volontariats: Steht nach einem Buchstaben, der (als Abkürzung) für ein Wort steht, eine Zahl, so ist (bei Drittelsatz) ein Viertelgeviert (♦) Abstand zu halten – bei Viertelsatz ein Achtelgeviert.

Beispiele:

  • Die Abfahrt von der A♦1 (A = Autobahn).
  • Die Baustelle auf der B♦75 (B = Bundesstraße).

Zwischen Buchstabe und Zahl steht aber immer dann ein Bindestrich, wenn durchgekuppelt werden muss:

  • Die A-1-Abfahrt, die B-75-Baustelle

und nicht:

  • Die A♦1-Abfahrt, die B♦75-Baustelle

Also zwischen Buchstabe und Zahl ein Bindestrich.

Sollte diese Regel noch immer stimmen, wäre wohl zu überlegen, sie als Ergänzung in den „Wegweiser“ aufzunehmen. Siehe auch das „Vademecum“ der NZZ (9. Auflage, Seite 20, „Autobahn“).

F. W. K., Deutschland

 

Sehr geehrter Herr K.,

die Empfehlung im Wegweiser betrifft nur Fälle, in denen Ziffern und Buchstaben ‒ in dieser Reihenfolge ‒ zusammen ein Wort bilden.

Die SOK äußert sich nicht zu typographischen Fragen wie der Anwendung des geschützten Leerzeichens (im Satz des Viertelgevierts). A 1 und B 75 können, wie Sie schreiben und wie das NZZ-Vademecum es vorsieht, mit einem Viertelgeviert geschrieben werden, was zwingend die Durchkupplung in Zusammensetzungen nach sich zieht. Die beispielsweise bei U21 übliche Zusammenschreibung kann aber nicht als falsch gelten.

Der Wegweiser ist ein Konzentrat der SOK-Empfehlungen und muß sich deshalb sehr kurz fassen. Wir werden aber überlegen, ob es mit einer kleinen redaktionellen Änderung möglich ist, die von Ihnen erwähnten Fälle auszuschließen oder miteinzubeziehen.

Peter Müller, SOK

 

Herzlichen Dank für Ihre Antwort, über die ich etwas länger nachdenken musste.

Es geht um Ihr Beispiel der Schreibweise von U21, von der Sie sagen, dass diese Form auch nicht falsch sei. Ich vermute, dass Sie beim U von U21 die Abkürzung für das Wort unter und dass Sie mit U21 die Bezeichnung Unter 21 meinen. In der ausgeschriebenen Form steht zwischen U und 21 ein (geschützter) Wortzwischenraum. Warum sollte der entfallen, wenn das Wort Unter als U abgekürzt geschrieben wird? Dann wären ja beide Schreibweisen des Kuppelwortes die „U21-Mannschaft“ und die „U-21-Mannschaft“ richtig.

Hat man damit nicht eine Varianten-Schreibung geschaffen, die die SOK doch eigentlich vermeiden möchte und die auch im NZZ-Vademecum nicht vorgesehen ist?

Das Beispiel mit der Autobahn-Nummer taucht im Vademecum von 1990 (4. Auflage) noch nicht auf. Somit fällt es wohl schwer zu entscheiden, welches die herkömmliche Schreibweise sein könnte.

Ich füge ein anderes Beispiel ein, das Wort „Rock and Roll“ bzw. gekürzt „Rock ’n’ Roll“.
Die Wortzwischenräume bleiben trotz der beiden Apostrophe bestehen, was zum Kuppelwort „Rock-’n’-Roll-Konzert“ führt, nicht aber zum „Rock’n’Roll-Konzert“.

F. W. K.

 

Sehr geehrter Herr K.,

es ist doch gerade das Wesen von Abkürzungen, daß die Zwischenräume entfallen:

DW, CDU, SDA usw.

Warum sollte das anders sein, wenn eine Ziffer in der Abkürzung steht?

Hier geht es aber eigentlich um Eigennamen, und da steht es m. E. dem Inhaber frei, die Schreibweise festzulegen:

Audi A6, Maserati A 6, A-6 Intruder (US-Militärflugzeug) [Quelle Wikipedia]

Wenn die NZZ A 4 für die Autobahn schreibt, um es von der DIN-Norm A4 abzugrenzen, zeigt das, wieviel sie von der Unterscheidungsschreibung hält. Das zuständige Bundesamt ASTRA schreibt nämlich A4.

Die UEFA schreibt U21, der SFV U-21! Da muß sich halt dann jede Zeitung für eine Schreibweise entscheiden.

Der Zwischenraum entfällt natürlich nicht, wenn mit Punkten abgekürzt wird:

d. h., u. A. w. g. usw.

und selbstverständlich auch nicht, wenn Auslassungszeichen die Auslassung anzeigen:

Rock ’n’ Roll

Insgesamt halte ich dies, wie gesagt, für keine orthographische Frage und damit auch nicht für etwas, was die SOK regeln müßte. Die SOK wird sich auf die weiterhin bestehenden Unsinnigkeiten der „neuen“ Rechtschreibung wie heute Abend, im Voraus usw. konzentrieren.

Peter Müller, SOK

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufklärung. Unter dem Aspekt der Eigennamen habe ich die Schreibweisen von „U21“ und anderen Kürzungen bisher noch nicht gesehen. Ihren Beispielen in der Reihe von „Audi A6“ ließe sich noch der „Airbus A380“ hinzufügen.

Mein Spezialgebiet als ehemaliger CvD einer deutschen Tageszeitung ist die sog. Orthotypographie – die faszinierende Welt zwischen den Wörtern. Auf die korrekte
Verwendung der verschiedenen Striche, der Abstände und der Hilfs- und Wortzeichen wird leider zu wenig geachtet. Das könnte doch auch für die SOK einmal ein Thema sein: Wer die Schriften der Satztechnik verwendet, muss auch die Regeln der Satztechnik einhalten. Die DIN 5008 verbreitet leider nur Murks.

Sehen Sie doch mal auf der Startseite des Rats für Rechtschreibung, wie falsch dort am Kopf die deutschen Anführungszeichen gesetzt sind.

F. W. K.

Holland oder Niederlande?

oranje20. August 2012

Ich habe einige Ihrer Antworten zur Rechtschreibung gelesen, u. a. jene über die Kleinschreibung.

Sie brauchen nun das farbige, kurze Wort Holland nicht mehr, nur noch Niederlande und Niederländer.

Wir werden von den Griechen Helvetier genannt, die Deutschen von den Franzosen Alemannen und von den Engländern Germanen.

Ist diese stupide, politische „Korrektheit“ nicht auch ein Putativgehorsam und lässt tief in die Schweizer Mentalität blicken?

E. B.

 

Sehr geehrte Frau B.,

ich finde nicht, dass die Ausdrücke Helvetier, Alemannen und Germanen auf der gleichen Stufe stehen wie der Ausdruck Holländer.

Es ist nun einmal so, dass Holland eigentlich nur die zwei niederländischen Provinzen Nord- und Südholland (vor 1840 Grafschaft Holland) bezeichnet, Holländer eigentlich deren Einwohner und Holländisch eigentlich den dort gesprochenen niederländischen Dialekt. Die Verwendung von Niederlande hat nichts mit politischer Korrektheit zu tun, die ich wie Sie ebenfalls ablehne, sondern mit dem Bemühen um Präzision.

Es ist allerdings auch so, dass umgangssprachlich häufig Holland als Synonym für die Niederlande gebraucht wird, weil es eben handlicher ist. Dagegen ist auch deshalb kaum etwas einzuwenden, weil es die Einwohner der übrigen 10 Provinzen nicht im mindesten stört, wie mir verschiedene holländische (niederländische!) Freunde glaubhaft versichert haben.

Dies im Gegensatz zum Begriff Engländer, der ebenfalls ab und zu für alle Einwohner Grossbritanniens gebraucht wird, womit die Schotten und anderen Briten aber keinesfalls einverstanden sind.

Peter Müller, SOK

 

Merci für Ihre Antwort, auch wenn sie mir nicht einleutet. Ein Ländername ist doch fast immer ein pars pro toto. Im Vielvölkerstaat Indien bleiben Millionen von anderen Volksgruppen und Sprachen „unberücksichtigt“.

Zudem schreien die Holländer an Fussballspielen hup Holland hup und auf den Fahnen und Schals steht vor allem Holland.

E. B.

 

Liebe Frau B.,

die Fälle Indien und Holland/Niederlande sind nicht gleich: Indien ist der Ländername, Holland aber eben nicht, der Ländername ist Niederlande.

Ich habe ja, wie gesagt, gar nichts gegen die Verwendung von Holland für die Niederlande. Ehrlich gesagt, wollte ich beim Artikel über die Kleinschreibung vermeiden, dass irgendein Neunmalkluger daherkommt und mich belehren will, dass es Niederlande und nicht Holland heisse, und mich damit zu unnützer Mehrarbeit zwingt.

Für „Putativgehorsam“ hingegen bin ich wirklich nicht bekannt :-)

Peter Müller, SOK

 

Ich kenne die Situation… habe jahrelang in Zürich in der Zeitungsbranche und im Verlagswesen gearbeitet. Da kamen immer mehr deutsche Neunmalkluge und wollten uns sagen, was Deutsch ist. Und ich sah viele Schweizer Bücklinge machen, was mir den Magen umdrehte.

E. B.