Diminutiv von «Boot»

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich habe einmal gelernt, dass es keine Doppel-Umlaute gibt und dass z. B. der Plural von «Saal» «Säle» geschrieben wird oder dass der Diminutiv von «Boot» «Bötchen» geschrieben wird.

Eben habe ich auf der Homepage des schweizerischen Fernsehens das Wörtchen «Böötli» gelesen. Da die Endung für die Rechtschreibung keine Rolle spielen dürfte, habe ich mich gefragt, ob es im Schriftdeutschen in der Schweiz Doppel-Umlaute gibt, denn reine Mundart, wo eigene Regeln gelten dürften, ist der Diminutiv ja nicht. Würden Sie die Schreibweise «Sääle» empfehlen?
I. F.
24.6.2025


 

Sehr geehrter Herr I. F.

Es ist zu unterscheiden zwischen Standarddeutsch, Schweizer Standarddeutsch (Schriftdeutsch, Hochdeutsch) und Schweizerdeutsch (Dialekt).

Im Standarddeutschen ist die Regel eindeutig und so, wie Sie es gelernt haben: 

Es gibt (aus ästhetischen Gründen) keine Doppel-Umlaute. Der Doppelvokal «aa» wird im Plural von Saal zum einfachen Umlaut «ä»: SaalSäle, die Doppelvokale «aa» und «oo» im Diminutiv zu den einfachen Umlauten «ä» bzw. «ö»: PaarPärchen, BootBötchen.

Saal ist übrigens das einzige Wort mit «aa», das einen Umlautplural bildet, alle andern bilden den Plural mit einer Endung: Aal, Haar, Paar, Maas, Maat, Saat, Staat, Waage.

Da es keine Doppel-Umlaute gibt, ist die Form mit einem «ä» korrekt. Die SOK empfiehlt deshalb nicht die Schreibweise *Sääle.

Im Schweizer Standarddeutschen wird Säli in Plural und Diminutiv wie im Standarddeutschen mit einem «ä» geschrieben: Säli. Das Wort hat wie andere Schweizer Diminutive, viele Esswaren bezeichnend, Eingang in den Duden und ins Standarddeutsche gefunden: Flädli, Guetzli, Guetsli, Güggeli (mdal.), Hörnli, Knöpfli, Müsli (schweiz. Müesli), Nüsslisalat, Peterli (mdal.), Pflümli (mdal.), Plätzli (mdal.), Rippli, Rüebli, Säli, Schlüttli (mdal.), Spätzli, Springerli, Stöckli, Wädli, Weggli, Wienerli, Zeltli. *Bötli jedoch nicht.

Bemerkenswert ist Müesli, wo die mundartliche Aussprache berücksichtigt wird. 

Für die Frage der Deklination in Genitiv und Plural wird bei den meisten auf den Kasten «Götti» verwiesen, wo es heisst: «Schweizer Substantive mit der Endung -(l)i, die Eingang in den deutschen Wortschatz gefunden haben, können im Genitiv und manchmal sogar im Plural die Endung -s erhalten: des Götti[s], die Götti[s], überwiegend so: «des Müslis, die Müslis», entsprechend also: des Säli[s], die Säli[s].

Die Endung «-li» spielt für die Rechtschreibung insoweit eine Rolle, als sie das Wort dem Schweizer Standarddeutschen oder dem Schweizerdeutschen zuweist. Im Standarddeutschen erfolgt die Diminuierung mit dem Umlaut oder den Endungen «-chen» (Kindchen), «-lein» (Tischein), «-le» (Häusle), «-el» (Kindel) und «-i» (Mutti).

Im Schweizerdeutschen (Dialekt) gibt es keine offzielle, verbindliche Orthographie. Sehr anerkannt ist jedoch die Dieth-Schreibung: Eugen Dieth: Schwyzertütschi Dialäktschrift. Verlag Sauerländer, Aarau 1938, 2. Aufl. 1986, ISBN 3-7941-2832-X.

Hauptmerkmal der Dieth-Schreibung ist neben der Unterscheidung zwischen kurzen, sanften (Lenes) und langen, starken Konsonanten (Fortes) die konsequente Unterscheidung zwischen kurzen und langen Vokalen, die ausschliesslich durch Doppelschreibung (Ausnahme: «y» für den geschlossenen «i»-Laut) gekennzeichnet werden, also: Leerer, Glaas, schöön.

Für Berndeutsch ist die Bärndütschi Schrybwys üblich, die sich stärker am standarddeutschen Schriftbild orientiert: Werner Marti: Bärndütschi Schrybwys. Francke, Bern 1972; 2. Aufl. 1985, ISBN 3-305-00074-0. Hier werden die Vokallängen wie im Standarddeutschen geschrieben, also: Lehrer, Glas, schön.

Die bei der Diminuierung im Standarddeutschen übliche Verkürzung der Doppelvokale «aa» und «oo» zu den einfachen Umlauten «ä» bzw. «ö» gibt es in beiden Werken nicht, geschrieben wird also im Schweizerdeutschen: Böötli, Sääli. Darauf ist die Schreibweise im SRF zurückzuführen, ein Einsprengsel von Schweizerdeutsch im sonst standarddeutschen Text.

Peter Müller, SOK

Kongruenz

Sehr geehrte Damen und Herren
Kürzlich las ich in einem Artikel:
  • Im Zuge der Reformation wurden das Kloster aufgehoben und der Kirchensatz verstaatlicht.
  • Dabei wurden die Empore entfernt und zwischen den Bänken ein Gang eingeführt.

Sollte es hier nicht wurde heissen?

A. D.
6. April 2025


Sehr geehrter Herr A. D.
Sie haben recht, es muss wurde, Singular, heissen. Grund: Es handelt sich um eine Reihung von Hauptsätzen, um eine Satzverbindung. Ausformuliert lesen sich die Beispiele so:
  • Im Zuge der Reformation wurde das Kloster aufgehoben, und der Kirchensatz wurde verstaatlicht.
  • Dabei wurde die Empore entfernt, und zwischen den Bänken wurde ein Gang eingeführt.
Die Verunsicherung und der Fehler stammen vermutlich daher, dass hier das gleichlautende konjugierte Verb des zweiten Prädikats eingespart wurde. Man spricht dann von einem zusammengezogenen Satz, einer Ellipse:
  • Im Zuge der Reformation wurde das Kloster aufgehoben und der Kirchensatz verstaatlicht.
  • Dabei wurde die Empore entfernt und zwischen den Bänken ein Gang eingeführt.
Die Ellipse macht aus der Satzverbindung aber kein mehrgliedriges, mit und verbundenes Subjekt, das den Plural verlangen würde (z. B. Im Zuge der Reformation wurden das Kloster und der Kirchensatz aufgehoben). Daher ist nur der Singular korrekt.
Interessant ist übrigens, in welchen Fällen das gleichlautende Verb des Prädikats eingespart werden kann.
Wenn der Numerus in beiden Prädikaten, wie in Ihrem Beispiel, übereinstimmt, ist die Antwort einfach: die Einsparung ist ohne weiteres möglich:
  • Bei einem Unfall wurde der Fahrer getötet und [wurde] der Beifahrer verletzt.
  • Erst wurden die Schränke aufgestellt, dann [wurden] die Bücher geordnet.
Wenn er nicht übereinstimmt, werden die Formen eines Verbs im Allgemeinen nicht weggelassen (Duden, Die Grammatik):
  • Eine Stimme ist dafür, alle anderen [sind] dagegen.
  • Erst wurden die Teppiche verkauft, dann [wurde] der Schmuck verhökert.
Gelegentlich findet man aber auch hier Beispiele mit elliptischen Konstruktionen (Duden, Die Grammatik), das heisst, sie können nicht als falsch bezeichnet werden. Die erhaltene Verbform richtet sich dabei nach dem Subjekt, das ihr am nächsten steht:
  • Ich nehme die gelben Figuren und ihr [nehmt] die roten.
  • Oder würden gleich die Sirenen zu heulen anfangen und das Inferno [würde] losbrechen?
Die Akzeptanz für die Einsparung des Plurals ist dabei geringer als für die Einsparung des Singulars.
Peter Müller, SOK