Büelweg oder Bühlweg?

10. Juli 2012

Nach einiger Internetrecherche bin ich auf Ihre Website gekommen und hoffe nun, dass Sie mir in folgendem Sachverhalt weiterhelfen können.

Meine Arbeitgeberin wohnt am (offiziell am Strassenschild so angeschriebenem) Büelweg in 5610 Wohlen. Nachdem wir bei der Gemeinde nachgefragt haben, ob diese Schreibweise denn tatsächlich so richtig sein kann, hat man dies bejaht. Nach Aussage der Gemeinde ist genau diese Schreibweise richtig! Kann dies möglich sein?

Falls Sie mir in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen können, wäre ich Ihnen für den Kontakt einer weiteren möglichen Anlaufstelle sehr dankbar.

N. D.

 

Sehr geehrte Frau D.,

es geht hier weniger um falsch oder richtig als um die mundartliche oder die hochsprachliche Form. Wenn allerdings die zuständigen Behörden die mundartliche Schreibweise gewählt haben, ist diese amtlich und damit „richtig“. Das dürfte in dem von Ihnen erwähnten Fall zutreffen.

Zuständig für die Festlegung von geographischen Namen sind die entsprechenden kantonalen Behörden in Zusammenarbeit mit den kantonalen Nomenklaturkommissionen und den Gemeinden. Das Bundesamt für Landestopografie swisstopo hat eine gewisse Koordinationsmöglichkeit damit zum Beispiel keine Verwechslungen bei Ortsnamen entstehen. Die Zuständigkeiten sind in der Verordnung über die geografischen Namen (GeoNV) festgelegt.

Bei Flurnamen wird in der Schweiz häufig die mundartliche Form gewählt. Das Bundesamt für Landestopografie hat dafür Weisungen erstellt. Dort wird beispielsweise der Form Büel der Vorzug gegeben.

Bei Ortsnamen ist man bei der Vermundartlichung wesentlich zurückhaltender. Als der Kanton Thurgau 2010 verschiedene Ortsnamen vermundartlichte, gab es einen Sturm der Entrüstung, und der Entscheid wurde rückgängig gemacht (siehe St. Galler Tagblatt).

Falls Sie weitere Fragen zum Thema haben, kann Ihnen das Bundesamt für Landestopografie bestimmt weiterhelfen.

Peter Müller, SOK

aufwendig/aufwändig in der Schule

aufwendig9. Juli 2012

Ich bearbeite zurzeit Unterlagen für den Unterricht auf verschiedenen Stufen der Volksschule. Nun bin ich bei einigen Wörtern unsicher über die Vorschriften bezüglich Orthographie. Gibt es allgemeine Richtlinien, Wortlisten oder Ähnliches? Wo kriege ich entsprechende Regeln oder Wörterverzeichnisse?

Können Sie mir beispielsweise sagen, welche Variante des Adjektivs „aufwendig/aufwändig“ in der schweizerischen Volksschule angewendet wird?

G. E.

 

Sehr geehrter Herr E.,

die Volksschule ist gehalten, die reformierte deutsche Rechtschreibung zu lehren. Diese wird in den einschlägigen Wörterbüchern wie Duden oder Wahrig wiedergegeben. Wie Sie sicher wissen, lehnen wir von der SOK einige der neuen Schreibweisen ab (siehe hier).

Das Verb aufwendig kommt genauso von aufwenden wie wendig von wenden. Die neue Rechtschreibung hat als Variante aufwändig eingeführt, damit diejenigen, die es von Aufwand ableiten, damit keinen Fehler machen. Die SOK empfiehlt selbstverständlich aufwendig (siehe hier), gemäss ihrem Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“. Nach reformierter Rechtschreibung sind beide Schreibweisen richtig. Die Volksschule sollte das entsprechend so lehren.

Peter Müller, SOK

der oder die Aufruhr?

22. April 2012

Ich hätte schon lange einmal gerne wissen wollen, ob man den gebräuchlichen Ausdruck in heller Aufruhr verwenden darf, wenn Duden angibt, das Substantiv sei maskulin. Denn wer folgende Ausdrücke mit Anführungs- und Schlusszeichen in die Suchmaschine Google eintippt, stellt fest, dass Aufruhr eher männlich benutzt wird, während die Wendung in heller Aufruhr etwa drei Mal so oft geschrieben wird als in hellem Aufruhr. Schreiben das so viele falsch oder darf Aufruhr in diesem Ausdruck feminin behandelt werden?

Ist Duden eigentlich die oberste Instanz apropos Rechtschreibung oder ist auf Wahrig genauso Verlass?

Konkrete Google-Aufrufe:

  • Aufruhr 2’870’000 Ergebnisse
  • in hellem Aufruhr 46’200
  • in heller Aufruhr 135’000
  • in Aufruhr 824’000
  • der Aufruhr 93’000
  • die Aufruhr 10’400

S. S.

 

Sehr geehrter Herr S.,

nach Duden muss in heller Aufruhr tatsächlich als falsch bezeichnet werden. Damit ist die Mehrheit der Schreibenden offensichtlich nicht einverstanden ‒ zu Recht, wie wir finden, denn Duden sollte die zwei Bedeutungen des Wortes 1) „heftige Bewegung“ und 2) „Empörung, Tumult, Erhebung“ unterscheiden:

Die erste Bedeutung ist die ältere, und sie war noch bis ins 18. Jahrhundert ausschliesslich weiblich. In der Wendung „in heller Aufruhr sein“ (und auch im in „Aufruhr“ enthaltenen „Ruhr“) hat sich dies erhalten, wie auch Ihre Google-Recherche zeigt. Das Genus in der jüngeren, zweiten Bedeutung ist heute ausschliesslich männlich, und das männliche Genus ist natürlich auch in der ersten, älteren Bedeutung nicht falsch.

Duden ist nicht mehr oberste Instanz der Rechtschreibung; dies zu ändern war eines der Ziele der Rechtschreibreform. Wahrig ist dem Duden gleichgestellt (er verhält sich im Fall „Aufruhr“ genau gleich). Heute ist der Rat für deutsche Rechtschreibung zuständig; an seine Entscheide sind aber selbstverständlich nur Schulen und öffentliche Verwaltungen gebunden.

Hier noch die entsprechenden Einträge in den Wörterbüchern:

DWDS (nach Wolfgang Pfeifer):

Aufruhr m. ‚Erhebung, Empörung‘, überhaupt ‚heftige Erregung‘ (vgl. nl. oproer, engl. uproar in derselben Bedeutung), ein Kompositum zu ahd. (h)ruora f., mhd. ruor(e) f. ‚eilige, heftige Bewegung‘ (s. Ruhr), das seinerseits zu ahd. (h)ruoren, mhd. rüeren, ruoren ‚bewegen, anrühren‘ (s. rühren) gehört, ist seit der Mitte des 15. Jhs. in hd. Texten, im 14. Jh. bereits in mnd. uprōr nachweisbar. Im Hd. bewahrt die Zusammensetzung das feminine Genus des Grundwortes noch bis ins 18. Jh., daneben kommt die Verwendung als Maskulinum in der 1. Hälfte des 16. Jhs. auf.

Duden, Herkunftswörterbuch:

Aufruhr „Empörung, Tumult, Erhebung“: Die seit dem 15. Jh. bezeugte Zusammensetzung enthält als Grundwort das unter ↑Ruhr behandelte Substantiv in dessen älterer Bed. „heftige Bewegung“.

Ruhr: Das auf das dt. und niederl. Sprachgebiet beschränkte Substantiv (mhd. ruor[e], ahd. [h]ruora, niederl. roer) ist eine Bildung zu dem unter ↑rühren behandelten Verb und bedeutete in den älteren Sprachzuständen zunächst „[heftige] Bewegung; Unruhe“. Diese Bedeutung bewahrt noch die Zusammensetzung ↑Aufruhr, beachte auch den Flussnamen ‚Ruhr‘. In mhdt. Zeit bezeichnete ‚Ruhr‘ dann auch speziell die heftige Bewegung im Unterleib. Heute ist das Wort ‒ wie auch im Niederl. ‒ nur noch als Krankheitsname gebräuchlich.

Grimm’s Wörterbuch:

Aufruhr. f. und m. …bei der älteren sprache ist das Wort weiblich, wie man auch „die ruhr“, in mehrfachem sinne sagt. ahd. hruora.

Peter Müller, SOK

Glücksache oder Glückssache?

kleeblatt14. März 2012

Schön, dass die Schreiber bei 20 Minuten Online das Verständnis für ihre Fehler bei Peter Müller schon im Vornhinein eingeholt haben: „Bündner vergoogeln sich am häufigsten“.

In der Weltwoche herrscht über die Rechtschreibung dieses Wortes Uneinigkeit ‒ oder wurde durch die SOK berichtigt?

A. P.


Liebe Frau P.,

scharf beobachtet! Wie das s in die Glücksache gekommen ist, kann ich nicht mehr eruieren. Stefan Stirnemann könnte uns vermutlich sagen, wie er es in seinem Manuskript geschrieben hat. Zum Fall kann man folgendes sagen: Es sind beide Formen korrekt, mit oder ohne Binde-s; sie sind auch beide im Duden ohne Bevorzugung der einen oder andern aufgeführt. In der Schweiz werde das Binde-s tendenziell häufiger benutzt als in Deutschland, hat das kürzlich erschienene Duden-Büchlein „Schweizerhochdeutsch“ festgestellt, das gestern im Tages-Anzeiger besprochen worden ist (Martin Ebel: „Wer zügelt und weibelt, muss ein Schweizer sein“). Der Autor nennt Zugsmitte als Beispiel. Ich habe dies kürzlich bei einer Diskussion, ob es Gesetzentwurf oder Gesetzesentwurf heisse, anhand von Google-Treffern ebenfalls belegen können. Es gibt allerdings auch Gegenbeispiele: Auslandaufenthalt (schweiz., nicht im Duden aufgeführt!), Auslandsaufenthalt (dt.).

Peter Müller, SOK