mithilfe?

17. Mai 2011

In der SonntagsZeitung vom 8.Mai habe ich das Wort mithilfe in kurzen Abständen dreimal gelesen. Gibt es das Wort? Ich würde sagen: „Nein, gibt es so nicht!“

Aber wie kommt denn ein Journalist auf so etwas?

M. O.

 

Sehr geehrter Herr O.,

doch, das Wort gibt es, seit der Reform von 1996.

Entgegen dem Trend der Reform zur vermehrten Getrenntschreibung gibt es eine Gruppe von neuen, mit Partikeln zusammengeschriebenen Varianten:

  • mit Hilfe, neu auch: mithilfe
  • in Frage, neu auch: infrage
  • zu Hause, neu auch: zuhause
  • nach Hause, neu auch: nachhause
  • so dass, neu auch: sodass
  • zu Lasten, neu auch: zulasten
  • zu Rande, neu auch: zurande
  • zu Rate, neu auch: zurate

Duden empfiehlt überall Zusammenschreibung ausser bei zu Hause/nach Hause. Wahrig empfiehlt abweichend davon Getrenntschreibung bei mit Hilfe und so dass.

Es gibt auch eine Gruppe von neuen, getrennt geschriebenen Varianten wie zugrunde/zu Grunde.

Für die SOK-Empfehlungen fallen alle diese Beispiele unter den Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“.

Peter Müller, SOK

Autoren verlangen Respekt für die Gestalt ihrer Texte

20. August 2009

Der Verband AdS, Autorinnen und Autoren der Schweiz, verlangt, dass die von ihnen gewählte Gestalt eines Textes respektiert wird. Zur Gestalt gehöre ausdrücklich auch die Rechtschreibung. Der Verband ersucht die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates in einer Eingabe vom 20. August 2009, „dafür zu sorgen, dass das amtliche Regelwerk endlich unabhängig von Politik, Ideologie und wirtschaftlichen Interessen korrigiert wird und dass die neue Rechtschreibung in der dafür nötigen Zeit in Schule und Verwaltung ausgesetzt wird. Für einen gangbaren Weg halten wir die Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK).“

Die Eingabe ist vom Präsidenten des AdS, Francesco Micieli, und der Geschäftsführerin, Nicole Pfister Fetz, unterschrieben. Erstunterzeichner sind die Autoren Jürg Amann, Urs Faes, Thomas Hürlimann, Charles Linsmayer, Klaus Merz, Pirmin Meier, Adolf Muschg, Suzann-Viola Renninger, Peter von Matt, Gisela Widmer, Urs Widmer und Peter Zeindler.

Beispielhaft ist die Vereinbarung zwischen der Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren und den österreichischen Schulbuchverlagen, die am 1. Januar 2010 in Kraft treten soll. Danach haben die Schulbuchverlage das Recht, Ausschnitte aus Werken zu publizieren, dürfen die Texte dabei aber nicht bearbeiten und entstellen. „Auch Rechtschreibanpassungen (inklusive Interpunktion) bedürfen der Einwilligung der Urheber.“ Die Vereinbarung hat auch die Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Zur Präambel der Vereinbarung.

Walter Heuer – ein Reformer?

4. April 2011

Das meiner Meinung nach beste Buch zur deutschen Rechtschreibung ist (für die Schweiz): Walter Heuer „Richtiges Deutsch“ aus dem Buchverlag der „Neuen Zürcher Zeitung“, zweite Auflage, 1960. Eine Gesamtlehre auf nur 320 Seiten.

G. W.

 

Sehr geehrter Herr W.,

Ihre Anfrage zur st-Trennung (Antwort hier) und Ihr Hinweis auf Walter Heuer haben mich bewogen, wieder einmal nachzulesen, wie Heuer zur Frage der st-Trennung und zu den übrigen Reformbestrebungen in den fünfziger und sechziger Jahren stand.

Heuer war für die s-t- und die -ck-Trennung! Bei der Worttrennung von Fremdwörtern sollte die streng etymologische Trennung nur noch verlangt werden, wo die Zusammensetzung deutlich erkannt wird, also v. a. wenn ein Bestandteil als selbständiges Wort auch im Deutschen geläufig ist: Ant-arktis, Des-infektion, Quint-essenz, Sulfon-amid. Im übrigen sei die Trennung nach Sprechsilben zu gestatten: Inte-resse, Psy-chiat-rie, Symp-tom.

Heuer kann eigentlich als Reformer bezeichnet werden, wenn auch als gemässigter. Er war natürlich gegen die am meisten umstrittenen Reformprojekte Kleinschreibung, Abschaffung der Dehnungszeichen und forcierte Eindeutschung der Fremdwörter und immerhin auch gegen die Abschaffung des ß (aber für die Heysesche Regelung!).

Aber bei der Groß- und Kleinschreibung votierte er für die Großschreibung von „angeblich ,verblaßten’“ Hauptwörtern und gegen den Grundsatz „im Zweifel klein“, bezeichnet in bezug/mit Bezug, außer acht/außer aller Acht, zugunsten/zu Lasten als „Dudensche Albernheiten“, empfiehlt etwas Anderes, nichts Anderes (wie etwas Schönes, nichts Neues), in Acht nehmen, auf Seiten, mein Eigen, Recht haben, Schuld haben, im Folgenden, mein Ein und Alles, der Einzelne, der Einzige. Die Kleinschreibung wegen übertragener Bedeutung bei im Finstern tappen, ins Klare kommen, im Trüben fischen, auf dem Trockenen sitzen bezeichnet er als „spitzfindig“ und empfiehlt auch Großschreibung bei aus dem Vollen schöpfen, ins Reine bringen, den Kürzeren ziehen, sein Möglichstes tun, um ein Bedeutendes, nicht das Geringste. Die Schreibweisen ich fahre rad, er schreibt maschine, es spricht hohn seien „unsinnig“ und das danach wiedereingeführte ich fahre Rad, aber radfahren „Haarspalterei“. Die Regelung bei Verbindungen mit mal/Mal seien „vertrackt“; er empfiehlt Grossschreibung nach gebeugten Attributen und Substantiven (zum dritten Mal, also auch jedes Mal) und Kleinschreibung nach ungebeugten (dreimal), im Zweifelsfall solle wie in der ganzen Groß- und Kleinschreibung beides gelten, sonst drohe „sture Regelfuchserei“. Dies auch beim Einzelfall recht/Recht: Schon der gestrenge Lammertz habe gesagt: „Man kann keinen zwingen, klein zu schreiben, wenn er das Hauptwort noch als solches empfindet.“ Er empfiehlt es ist das Beste, wenn du gehst (analog zu es ist das Beste, was du tun kannst). Andernfalls erschwerten solch subtile Differenzierungen, die für das Verständnis des geschriebenen Wortes nicht den geringsten Wert hätten, die Rechtschreibung unnötig.

Bei der Fremdwortschreibung war er der Meinung, es sei eine ganze Reihe von Fehlentscheiden zu korrigieren, mit denen sich der Duden nur lächerlich gemacht habe, insbesondere die Zwitter wie Krescendo. Bis zur 13. Auflage (1947) habe nämlich im Duden gestanden: „Insofern die fremde Aussprache keine Änderung erfahren hat, wird in der Regel auch die fremde Schreibweise beibehalten.“ (Krescendo ist in der Zwischenzeit korrigiert worden, es gibt aber weiterhin Direktrice, Kaprice, Kommuniqué, Protegé u. a.; allerdings lassen sich nicht alle Mischformen vermeiden, siehe hier).

Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung war er für den Grundsatz: Keine Zusammenschreibung ohne zwingenden Grund! Also kennen lernen, fallen lassen, auch attributiv: ein fallen gelassener Vorschlag. Die Unterscheidung attributiv/prädikativ sei ohnehin „sinnlos“: das Kleid ist weiß gestreift, aber das weißgestreifte Kleid. Der unerwünschten Zusammenballung langer Wörter sei entgegenzuwirken. Nur wo durch die Zusammenschreibung ein anderer Begriff ausgedrückt werde, habe die Unterscheidung ihre Berechtigung: leerlaufen/leer laufen, sicherstellen/sicher stellen, zusammenkommen/zusammen kommen usw.

Beim Zusammentreffen von drei gleichen Konsonanten war Heuer dafür, die gleiche Regel wie bei drei gleichen Vokalen anzuwenden: einen Bindestrich zu setzen (Schiff-Fahrt)! Er äussert sich nicht zum daraus entstehenden Problem Schiff-Fahrtsgesellschaft/Schiff-Fahrts-Gesellschaft.

Beim Komma betont er, Satzzeichen seien Lesehilfen und Leserlichkeit müsse oberstes Prinzip der Orthographie sein und bleiben, also keine leichtfertige Simplifikation: wo das Interesse des Lesers auf dem Spiele stehe, gebe es keine Konzessionen. Er war gegen die Abschaffung des Kommas vor „und“, die „verwickelten“ Vorschriften beim Infinitivsatz könnten aber ohne Schaden vereinfacht und das Komma nach Gedankenstrich weggelassen werden.

(Quelle: Graphia, 1956, Zum Streit um unsere Rechtschreibung)

Peter Müller, SOK

st bei der Worttrennung

27. März 2001

Mir ist zu meinem grossen Bedauern aufgefallen, dass Sie auf der Weltnetzseite nichts zur Auftrennung des beim richtigen Sprechen zusammenbleibenden ST schreiben (die  F ü r st e n , die  m e i st e n). Ich bin der Meinung, dass auch die Zusammenschreibung des ST wieder zur Regel werden muss.

Zu früheren Zeiten, als die Frakturschrift noch üblich war, gab es zur Hervorhebung einzelner Worte oder Sätze nur die  S p e r r s c h r i f t. Das ST wurde jedoch grundsätzlich ohne Zwischenraum geschrieben.

Seit Einführung der Verunstaltungsregeln benutze ich nur noch den alten „Wahrig“ und die neuen Wörterbücher von Mackensen und Ickler und das meiner Meinung nach beste Buch zur deutschen Rechtschreibung (für die Schweiz): Walter Heuer „Richtiges Deutsch“ aus dem Buchverlag der „Neuen Zürcher Zeitung“, zweite Auflage, 1960. Eine Gesamtlehre auf nur 320 Seiten.

Ich hoffe, Sie sind mit der Zusammenschreibung des ST gleicher Meinung wie ich. Eine kurze Nachricht von Ihnen würde mich sehr freuen.

G. W.

 

Sehr geehrter Herr W.,

wir haben Sympathien für Ihre Meinung. Die SOK akzeptiert die st-Trennung aber wie auch die ebenso fragwürdige ck-Trennung.

Die SOK verzichtet in einigen Fällen, die wenig Schaden anrichten, auf eine Empfehlung, die herkömmliche Schreibweise anzuwenden, obwohl sie diese besser oder ebenso gut findet: ausser bei der st- und der ck-Trennung z. B. bei der Dreikonsonantenregelung (Schifffahrt). Anderseits gibt es Fälle, bei denen man durchaus geteilter Meinung sein kann, was besser ist, herkömmlich oder reformiert: einige Grossschreibungen (in bezug/in Bezug analog zu mit Bezug, im trüben/Trüben fischen), einige Getrenntschreibungen (hiersein/hier sein, ebensoviel/ebenso viel), einige Eindeutschungen (Potential/Potenzial) u. a. Und schliesslich gibt es sogar (wenige) Fälle, in denen die reformierte Regelung unbestritten besser ist (mehrgliedrige englische Ausdrücke etwa: Beautycase/Beauty-Case, Beautycenter/Beauty-Center, Beautyfarm/Beauty-Farm statt Beauty-case, Beauty-Center, Beautyfarm).

Duden ist bei seinen Einzelfestlegungen bis 1991 wohl zu weit gegangen. Das war zwar aus Sicht von Korrektoren und Sekretärinnen durchaus erwünscht, weil damit Diskussionen um die „richtige“ Schreibweise vermieden werden konnten. Es hat aber den Reformern den Vorwand geliefert, eine Rechtschreibreform sei angesichts der „unlogischen“ und damit unlernbaren Festlegungen dringend nötig.

Was den „Heuer“ betrifft, teile ich Ihre Einschätzung ebenfalls, allerdings vor allem die Auflagen bis 1995 (23. Auflage), obwohl der Reformer Gallmann schon damals der neue Herausgeber war (Walter Heuer wurde Ende 1973 als Chefkorrektor der NZZ pensioniert und ist 1977 gestorben). Es wird Sie vermutlich überraschen, dass Heuer ein Befürworter der st-Trennung war. Ich werde in einem separaten Aufsatz zusammenfassen, wie Heuer zu den Reformbestrebungen der fünfziger und sechziger Jahre stand.

Peter Müller, SOK